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Startschuss für Kanzleramtsbau Das ist leider schrecklich abgehoben

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Mit dem Anbau sollen künftig alle Mitarbeiter des Bundeskanzleramts an einem Standort zusammengezogen werden.

(Foto: picture alliance / photothek)

Die Arbeiten für den vor Jahren beschlossenen Anbau am Bundeskanzleramt beginnen. In Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger sorgenvoll auf den Winter blicken, ist das mindestens instinktlos. Die Frage dieser Tage gilt auch für den 800-Millionen-Bau: Muss das jetzt sein?

Das Bundeskanzleramt heißt im Berliner Jargon die "Bundeswaschmaschine", weil der klobig-kantige Bau mit der runden Fensterfassade aus der Ferne so aussieht. Der Architekt hält es für ein Kunstwerk, die, die darin arbeiten, für ein zu klein geratenes Bürogebäude.

Darum wurde vor Jahren schon eine Art zweites Kanzleramt geplant und beschlossen. Man kriegt dann alle Kanzleramtsbeamte unter ein Dach, und der deutsche Bundeskanzler soll ja auch nicht wohnen wie bei Hempels unterm Sofa. Inzwischen werden die Kosten auf bald 800 Millionen Euro geschätzt, und der Startschuss der Arbeiten ist gefallen.

800 Millionen Euro für einen Regierungsbau. Da schluckt wohl jeder. Ausgerechnet jetzt?

Es ist schier unglaublich, dass sich offenbar niemand in der Regierungszentrale einmal kurz gefragt hat: Was für einen Eindruck macht das in diesen Tagen? Was macht so ein Beschluss mit den Bürgern? Man nennt es Politik, sich solche Gedanken zu machen. Oder man nennt es Instinkt, Gespür, vielleicht sogar Mitgefühl.

Nein, das muss jetzt nicht sein

Aber nein. Vor einem Winter, der Millionen Menschen im Land Sorge und Angst macht, lässt der Bundeskanzler scheinbar ungerührt so einen Mega-Regierungsbau beginnen. Er hätte sich besser gefragt: Muss das jetzt wirklich sein?

Das ist nämlich exakt die Frage, die sich in fast jedem deutschen Haushalt gerade stellt: Muss das jetzt sein? Der Winterurlaub? Die neue Couch? Der neue Fernseher?

"Muss das jetzt sein?" ist die Frage, die wie keine zweite für diese Krise steht, in der so viele sparen sollen oder müssen, weil sonst das Geld fürs Heizen, Essen und Fahren nicht reicht. Und in ganz vielen Haushalten wird es in der nächsten Zeit heißen: Nein, das muss jetzt nicht sein, das können wir schieben, darauf müssen wir vorerst verzichten.

Das weiß auch der Bundeskanzler, der keineswegs aus üppig situierten Verhältnissen stammt. Aber er handelt nicht danach. Es fehlt das sichtbare und wache Gespür für die Nöte der Leute. Das ist schrecklich abgehoben.

Quelle: ntv.de

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