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Zwischenruf Dead Can Dance

Labour droht das politische Aus. Die Briten werden sich unter einer künftigen konservativen Regierung auf einen harten, neoliberalen Kurs einstellen müssen, die EU auf ein europafeindliches Britannien. Bis dahin werden wir Zeugen eines zwölfmonatigen Totentanzes, meint Manfred Bleskin.

Gordon Brown ist für den Moment wiederauferstanden. Der Labour-Partei droht jedoch das politische Aus.

Gordon Brown ist für den Moment wiederauferstanden. Der Labour-Partei droht jedoch das politische Aus.

(Foto: REUTERS)

Schon totgesagt, ist der britische Premier Gordon Brown wiederauferstanden. Die Rücktrittsforderungen einiger Labourabgeordneter wies die Mehrheit der Fraktion im Unterhaus zurück; nach dem Aderlass im Kabinett hat der Schotte seiner Ministerrunde neues Blut zugeführt.

Doch die Resurrektion läutet die letzte Phase von 13 Regierungsjahren der Sozialdemokraten ein. Bei den spätestens in einem Jahr stattfindenden Wahlen droht der einstigen Arbeiter- und späteren Volkspartei das politische Aus.

Der Hauptgrund ist, dass Labour unter Brown fast ebenso nahtlos an New Labour von Tony Blair anknüpfte wie diese an den Thatcherismus. In der Finanzkrise erwies sich die Partei als unfähig, an des Übels Wurzel anzupacken. Die Ernennung eines Pleitenbankchefs zum Vizedirektor der Bankenaufsicht mag hier stellvertretend stehen. Milliarden gingen an Londoner City, Brown sagte in einem Freudschen Versprecher gar, er habe die Welt gerettet. Doch in der realen Welt verliert alle zehn Minuten ein Bürger sein Haus, die rund zehnprozentige Arbeitslosigkeit steigt und steigt. Die umstrittene Senkung des Mehrwertsteuersatzes um zweieinhalb Punkte auf 15 Prozent zeigt nur geringe Wirkung. Der Staat selbst bewegt sich am Rande des Bankrotts. Der unglaubliche Spesenskandal zog sich zwar durch alle Parlamentsparteien, doch die Wähler straften allein die Regierungspartei ab. Politische Wahrnehmung ist nun einmal selektiv.

Die Unzufriedenheit mit der Partei linken Anspruchs beschert der Rechten von den Tories über die EU-feindliche UK Unabhängigkeitspartei bis zur neofaschistischen British National Party einen überwältigenden Zulauf. Von den weiter links stehenden Parteien konnte lediglich die Sinn Féin in Nordirland von der Unzufriedenheit profitieren.

Nur ein Wunder kann Labour noch retten. Doch ein solches in Gestalt eines Neuanfangs ist nicht in Sicht. Es sei denn, Torychef David Cameron entpuppt sich als Profumo. Die Briten werden sich unter einer künftigen konservativen Regierung auf einen harten, neoliberalen Kurs einstellen müssen, die EU auf ein europafeindliches Britannien. Bis dahin werden wir Zeugen eines zwölfmonatigen Totentanzes.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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