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Gefährliche Alles-oder-Nichts-Mentalität Der Putsch ist kein Fortschritt für Ägypten

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(Foto: REUTERS)

Der Sturz von Präsident Mursi ist keine ruhmreiche Episode auf dem Weg Ägyptens zur Demokratie. Tatsächlich wirft der Militärputsch den Prozess zurück.

Das Militär reagiert auf den Protest von Millionen von Menschen auf Ägyptens Straßen und Plätzen. Die Generäle entmachten den autokratisch regierenden Mohammed Mursi, den Mann, der die Islamisierung des Landes mit all seiner Macht vorangetrieben hat, und sie versprechen Neuwahlen. Ist das ein neues Kapitel in der Geschichte der Demokratisierung des Staates am Nil?

In Ägypten gilt noch: Wer die Waffen hat, hat die Macht.

In Ägypten gilt noch: Wer die Waffen hat, hat die Macht.

(Foto: REUTERS)

Ein neues Kapitel ist das schon. Tatsächlich belegt der Militärputsch allerdings ein vorläufiges Scheitern dieses Prozesses. Für Mursis Nachfolger wird es deutlich schwerer, einen demokratischen Rechtsstaat zu etablieren.

Ja, der Eindruck, der sich von Mursi nördlich des Mittelmeeres verbreitete, trifft den Kern. Mursis Verständnis von Demokratie ist unreif. Mit seiner knappen Mehrheit aus den Präsidentschaftswahlen glaubte er, sich nur noch um die Interessen der Muslimbrüder kümmern zu müssen. Er setzte eine Verfassung durch, die auf der Scharia basiert. Auch die Forderungen der Massen auf den Straßen ignorierte er bis zuletzt. Mursi regierte getreu dem Motto: Der Wahlsieger bekommt alles, der Wahlverlierer bekommt nichts.

Alles oder nichts

Doch viele der Menschen auf den Plätzen in Kairo und Alexandria stehen Mursi bei dieser Mentalität in nichts nach. Sie sträubten sich mit allen Mitteln gegen die legitimen Institutionen des Staates. Das Referendum über die Verfassung etwa boykottieren sie. Die Wahlbeteiligung lag bei kaum 33 Prozent. Und sie bejubelten den Putsch eines Präsidenten, der aus freien und fairen Wahlen hervorgegangen ist. General Abd al-Fattah al-Sisi und sein Militärapparat informierten Mursi nach einem 48-stündigen Ultimatum kurzerhand, dass er nicht mehr Präsident ist. Hier zeigte sich, wer in Wirklichkeit die Macht in Ägypten hat. Mit Demokratie hatte das wenig zu tun. Doch das störte die Oppositionellen kaum. Sie wollten nicht auf den nächsten Wahltermin warten, wie es in westlichen Demokratien der Fall gewesen wäre. Ihnen war jedes Mittel Recht, um ihren Willen durchzusetzen.

Die Anhänger der Muslimbrüder empören sich darum zu Recht darüber, dass ihnen die Macht entrissen wurde. Zwar scheiterte Mursi als Präsident - die Wirtschaft krankt auch nach seinem ersten Amtsjahr, die Arbeitslosigkeit grassiert noch immer, und die Muslimbrüder verloren viele Sympathisanten. Doch sie sind nach wie vor die stärkste und am besten organisierte Partei in Ägypten mit einer großen Zahl von Anhängern.

Die Alles-oder-Nichts-Mentalität Mursis und jetzt der Oppositionellen beim Putsch führt dazu, dass die Spaltung der Lager in der ägyptischen Gesellschaft heute größer ist denn je. Was Ägypten jetzt bräuchte,  wäre ein Kompromiss-Kandidat, ein Mann, der die Interessen der Liberalen Kräfte vertritt, ohne die Islamisten zu vergessen. So einen Mann scheint es in Kairo derzeit aber nicht zu geben.

Quelle: ntv.de

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