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Perspektive Rot-Rot-Grün? Der SPD-Beschluss ist eine leere Schachtel

Sigmar Gabriel auf dem Weg in die Große Koalition. Eine echte Machtoption hat die SPD auf Bundesebene auf absehbare Zeit nur mit der Union.

Sigmar Gabriel auf dem Weg in die Große Koalition. Eine echte Machtoption hat die SPD auf Bundesebene auf absehbare Zeit nur mit der Union.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wäre der Öffnungsbeschluss der SPD wirklich ernst gemeint, müsste die Union sich jetzt gewaltig aufregen. Das tut sie nicht, und sie hat Recht damit. Denn die rot-rote Perspektive ändert gar nichts.

Man stelle sich folgendes Szenario vor: SPD und Grüne haben die Bundestagswahl gewonnen, die Koalitionsverhandlungen laufen, in der Arbeitsgruppe Energie knirscht es allerdings gewaltig. Währenddessen findet ein Grünen-Parteitag statt, auf dem die Delegierten beschließen, es in vier Jahren mit der Union versuchen zu wollen.

Zugegeben, das ist unrealistisch. Nicht nur sind SPD und Grüne weit von einer gemeinsamen Mehrheit entfernt, auch würden die Sozialdemokraten einen solchen Beschluss zu Recht als krassen Affront verstehen. Es würde ihn daher nicht geben. Dass eine Partei eine Koalition vorbereitet, während sie in Gesprächen mit einer anderen Partei steckt, ist schlicht nicht vorstellbar.

Halt, doch: Die SPD macht genau das. Sie verhandelt mit CDU und CSU über eine Große Koalition und will bei ihrem am Donnerstag beginnenden Parteitag in Leipzig beschließen, künftig keine Koalitionsoptionen mehr auszuschließen. Im Leitantrag des SPD-Vorstands wird die Linkspartei zwar nicht erwähnt, aber natürlich geht es nur um sie: Wenn eine stabile Mehrheit im Parlament vorhanden ist, wenn der Koalitionsvertrag "mit sozialdemokratischen Wertvorstellungen vereinbar" ist und wenn eine "verantwortungsvolle Europa- und Außenpolitik" gewährleistet ist, dann kann sich die SPD ein Linksbündnis vorstellen.

Die Große Koalition stärke die linken Fundamentalisten

Es ist ein Signal an die unzufriedene Basis: Dieses Mal koalieren wir noch mit der ungeliebten CDU/CSU, aber in vier Jahren stellen wir den Kanzler und machen ordentliche sozialdemokratische Politik! Mag sein, dass sich die SPD-Delegierten mit diesem Versprechen zufrieden geben werden, mag sein, dass es auf diese Weise leichter wird, den murrenden Ortsvereinen das Bündnis mit der Union zu verkaufen. Dennoch ist der Beschluss eine von den "leeren Schachteln", von denen Peer Steinbrück im Wahlkampf immer gesprochen hat, wenn er die Politik von Bundeskanzlerin Angela Merkel an den Pranger stellen wollte: In diesem Beschluss ist nichts drin.

Denn zum einen ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass die Linkspartei in vier Jahren die drei Bedingungen der SPD erfüllen wird. Der Einfluss von Gregor Gysi, dem einzigen bei den Linken, dem zuzutrauen ist, seine Partei von einem Regierungseintritt zu überzeugen, wird 2017 eher geringer sein. Der Befund von SPD-Chef Sigmar Gabriel, nach dem die Linkspartei aus "pragmatischen Linken aus dem Osten" und aus "Sektierern und Verrückten aus dem Westen" besteht, wird seine Gültigkeit nicht verlieren, im Gegenteil: Die Große Koalition wird die linken Fundamental-Oppositionellen eher stärken.

Zum anderen schafft es die SPD ja nicht einmal, die pragmatischen Ost-Linken ernst zu nehmen. Bislang gehen die Sozialdemokraten in den östlichen Bundesländern lieber als Juniorpartner in eine Koalition mit der CDU, als einen Linken zum Ministerpräsidenten zu wählen.

Zu Recht bleibt die CDU da völlig entspannt - sie kann es sich leisten, den Linksbeschluss der SPD schulterzuckend zur Kenntnis zu nehmen. Bis 2017 ist noch eine Menge Zeit. Aus heutiger Sicht sind eine Neuauflage der Großen Koalition und selbst ein schwarz-grünes Bündnis wahrscheinlicher als Rot-Rot-Grün.

Quelle: ntv.de

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