Zwischenruf Die Luft wird dünn für Merkel
09.06.2010, 14:11 UhrWir kennen das noch aus den ersten Regierungsjahren von Rot-Grün: Nachbessern hieß es überall. Schwarz-Gelb setzt die ungute Tradition fort - und mehr noch: Mitten durch die Union geht inzwischen ein Riss.
Wir kennen das Wort noch aus den ersten Regierungsjahren des Kabinetts Schröder/Fischer: Nachbessern hieß es allenthalben, wenn ein Gesetzentwurf wieder einmal daneben gegangen war. Die Regierung Merkel/Westerwelle knüpft an die unguten Traditionen an. Eigentlich hatte man geglaubt, so etwas würde der Kanzlerin nach einem halben Jahrzehnt nicht mehr passieren.
Es ginge noch an, käme die Kritik an den Sparplänen der Bundesregierung "nur" von den Gewerkschaften, Sozialverbänden und den Parteien links von der Mitte. Doch der Riss geht mitten durch die Union. Es muss schlimm stehen, wenn der Bundesverteidigungsminister, einst Shootingstar, heuer als Rumpelstilzchen tituliert wird.
Kein Geringerer als der zeitweilig als präsidiabel gehandelte Bundestagspräsident Norbert Lammert distanziert sich von dem Entwurf. Von Vertretern des Arbeitnehmerflügels der Christdemokraten ganz zu schweigen. Die Ablehnung oder Nachbesserungsforderung macht sich an dem zentralen Punkt der sozialen Unausgewogenheit fest. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg lügt sich selbst in die Tasche, wenn er bei n-tv erklärt, der Bevölkerung fehle das Verständnis für die Kritik.
Rücktrittsgerüchte
Genau das Gegenteil ist der Fall. Die Luft für die Koalition ist so dünn geworden, dass Szenarien über einen Rücktritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel kursieren, sollte Christian Wulff bei der Präsidentenwahl gegauckt werden. Man mache sich keine Illusionen: Eine FDP, der mit fünf Prozent bei der Sonntagsfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa das Wasser Oberkante Unterlippe steht, wird sich hüten Wellen zu schlagen, für den Pfarrer von der Ostsee zu votieren, um dann in den Wogen vorgezogener Bundestagswahlen unterzugehen. Gleiches gilt für die CSU, die die Wildsau-Attacke der Liberalen zwar wortstark zurückweist, mit rund 40 v. H. bei der letzten bekannten Umfrage aber weit von ihrem 50-plus-Ziel entfernt ist.
Um den Absturz zu verhindern, werden am Ende alle zusammenhalten, Rumpelstilzchen wie Wildsäue. Offen ist, ob die anstehenden Nachbesserungen reichen, das Märchen bis zum Ende der Legislaturperiode 2013 durchzuhalten.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de