Obamas Führungsschwäche Die Welt wartet
09.08.2011, 15:15 Uhr
(Foto: REUTERS)
US-Präsident Obama hat sich viel zu spät in den Streit um die Schulden-Obergrenze eingeschaltet, hat dann viel zu moderat agiert und sich viel zu viel von der "Tea Party" diktieren lassen. Nicht nur die USA, die ganze Welt wartet auf ein Signal der Stärke.
Obama wirkte am Montagabend seltsam gelähmt. Und trotzig zugleich. Egal, was irgendeine Rating-Agentur sage, die Vereinigten Staaten waren immer und würden immer ein AAA-Land sein. Zudem habe das Land alles in der Hand, um seine Finanzprobleme zu lösen. Nicht einmal zehn Minuten dauerte sein erster öffentlicher Auftritt nach der Herabstufung der Triple-A-Bonität. Drei Tage hatte er dafür gebraucht.
Doch die eigentliche Ziele - verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, Führungsstärke zu demonstrieren und zu zeigen, er, der Präsident, halte die Fäden fest in der Hand - hat er mit seinem Kurzauftritt deutlich verfehlt.
Die Wall Street hatte zu diesem Zeitpunkt noch zwei Stunden Handel vor sich. Doch statt die Kursverluste des Tages wettzumachen, brach der Dow nach der Rede noch einmal kräftig ein und verlor am Ende 634 Punkte, das stärkste Tagesminus seit Dezember 2008.
Mag sein, dass die Märkte in diesen Tagen irrational reagieren. Eigentlich hat sich am wirtschaftlichen Gesamtrahmen für die größte Volkswirtschaft in den letzten zwei bis drei Wochen ja wenig verändert. Am Freitag gab es sogar einen Lichtblick - über 117.000 neue Arbeitsplätze hat die Privatwirtschaft im Juli geschaffen. Mehr als erwartet wurden.
Dass der Dammbruch an den Börsen weiter anhält, ist mehr als eine Reaktion auf die technische Herabstufung der Top-Bonität, die von einem Teil des Marktes ja ohnehin niemals ausgeschlossen wurde. Es ist vielmehr eine Reaktion auf die anhaltende Krise der politischen Machtinstitutionen Amerikas. Die monatelange Debatte um Schulden-Obergrenze, Billionen-Sparpakete, die am Ende zu einem Machtpoker zwischen Demokraten und Republikanern ausartete, hat das Weiße Haus viel Glaubwürdigkeit gekostet.
Obama hat sich viel zu spät in den Konflikt eingeschaltet, hat dann viel zu moderat agiert und sich viel zu viel von der anderen Seite diktieren lassen, vor allem von der "Tea Party"-Bewegung mit ihren radikal-naiven Ansichten.
Sein Aufruf nach der Herabstufung, dass die politische Elite des Landes jetzt zusammenstehen und die Grabenkämpfe zwischen Demokraten und Republikanern beendet werden müssen, mag zwar gerechtfertigt und richtig sein, doch dringt er nicht durch. Nicht mehr. Appelle dieser Art in der jetzigen Situation sind zu wenig. Jetzt ist Handeln und Anpacken gefragt. Kann Obama solange warten, bis der Kongress nach seiner Sommerpause wieder zusammenkommt? Nein, eigentlich nicht.
"Der mächtigste Mann der Welt wirkt seltsam machtlos und unentschlossen", kommentiert die "Washington Post". Die Amerikaner erwarteten ein Machtwort ihres Präsidenten. Leadership, Führungsstärke, Leidenschaft, Rückgrat. Yes We Can... Anderenfalls geht das angeschlagene Vertrauen in das politische Machtgefüge der USA weiter den Bach hinunter.
Nicht nur die Amerikaner warten auf dieses Signal. Solange die irrationale Talfahrt an den Börsen anhält, ist dieses Gefühl seltsamer Lähmung und Unentschlossenheit auch ein Problem für die gesamte Weltwirtschaft.
Quelle: ntv.de