Merkel moderiert wieder Die strahlende Verliererin
10.05.2010, 11:45 Uhr
Steuersenkungen, Kopfpauschale, Ausstieg vom Atomausstieg? Alles ohne Mehrheit im Bundesrat nun nicht mehr zu machen. Kanzlerin Merkel wird darüber nur mäßig traurig sein.
(Foto: APN)
Deutschland steht eine Politik von Blut, Schweiß und Tränen bevor. Machen Westerwelle und seine FDP mit, gut. Verweigern sie sich, müssen sie die Koalition verlassen.
Drei Verlierer hat die Wahl in Nordrhein-Westfalen: Ministerpräsident Jürgen Rüttgers, FDP-Bundeschef Guido Westerwelle und Bundeskanzlerin Angela Merkel. Und doch ist das nur die halbe Wahrheit. Denn Merkel wird die Niederlage zu ihrem Vorteil wenden. Es wäre nicht das erste Mal.
Zu Recht gibt der Münsteraner Politikwissenschaftler Klaus Schubert Merkel eine Mitschuld am Wahlergebnis: Er meint, es zeige die Grenzen ihres moderierenden Politikstils. "Wenn man einen starken Partner hat, wie im schwarz-roten Bündnis, ist so eine Moderation womöglich ertragreich. In einer Koalition mit einem kleinen Partner, der versucht, große Pläne umzusetzen, nicht", so Schubert zu n-tv.de.
Die Folge der verlorenen Wahl: Für Merkel und ihre schwarz-gelbe Koalition ist die Bundesratsmehrheit futsch. Damit aber ist die moderierende Kanzlerin wieder gefragt. Merkel wird an SPD und Grünen nicht vorbeikommen, wenn sie ihre Projekte durch die Länderkammer bekommen will. Ob sie wollen oder nicht: SPD und Grüne werden der Kanzlerin dabei helfen, die bislang unzähmbare FDP zu bändigen. Den Deutschen steht, auch da hat Schubert Recht, eine Politik von Blut, Schweiß und Tränen bevor. Machen Westerwelle und seine FDP mit, gut. Verweigern sie sich, müssen sie die Koalition verlassen. So einfach ist das.
Das weiß auch die CDU. Echte Kritik an der Kanzlerin äußern nur Außenseiter wie der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Josef Schlarmann, oder der frühere CDU-Bundestagsabgeordnete Willy Wimmer, der sogar "den sofortigen Rücktritt von Angela Merkel" fordert. "Das konservativ-liberale Lager fühlt sich heimatlos", klagt FDP-Fan Schlarmann. Er hat eine wichtige Botschaft der NRW-Wahl nicht verstanden: Die Wähler in Nordrhein-Westfalen haben Schwarz-Gelb abgewählt, sie wollen kein "Lager".
Wenn CDU-Ministerpräsidenten wie Christian Wulff, Roland Koch und Peter Müller jetzt einen Kurswechsel in Berlin fordern, so richtet sich das nicht gegen Merkel, sondern gegen die FDP und ihren realitätsblinden Steuersenkungskurs. Und was macht Merkel, während ihre großen und kleinen Parteifreunde Interviews geben? Sie regiert. Die Rettung des Euro, die Gesundheit von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble - es gibt wirklich Wichtigeres als die Probleme von Westerwelle und Rüttgers.
Mit Interesse dürfte Merkel verfolgen, ob auch Konservative wie der hessische CDU-Fraktionschef Christean Wagner oder der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, sich jetzt zu Wort melden werden. Sie sollten es lassen. Europa und Deutschland stehen vor einem Kraftakt, dessen Ende noch nicht abzusehen ist. Für klein karierte Scharmützel haben wir keine Zeit.
Quelle: ntv.de