Merkel mit langen Hosen Erdogan hat recht
30.03.2010, 11:33 Uhr
Halb zog sie ihn, halb sank er hin: Merkel und Erdogan haben nicht alle Konflikte ausgeräumt. Aber sie streiten nicht mehr.
(Foto: AP)
Die Kritik der Opposition an der Türkei-Politik der Bundeskanzlerin ist nachvollziehbar. Spannender wäre jedoch zu hören, was Außenminister Guido Westerwelle vom Auftritt seiner Chefin in Ankara hält. Erst im Januar hatte Westerwelle dort mit Blick auf einen Beitritt der Türkei zur Europäischen Union verkündet: "Was die EU und die Türkei vereinbart haben, gilt." Und dann noch betont, er sei nicht als "Tourist in kurzer Hose" in die Türkei gekommen: "Ich bin der deutsche Außenminister", sagte Westerwelle damals, "und was ich sage zählt".
Wer würde da widersprechen. Dennoch hat Angela Merkel ihren Vizekanzler geradezu spektakulär brüskiert. Beim gemeinsamen Auftritt mit dem türkischen Ministerpräsident Tayyip Erdogan sagte sie, dass die "Auffassungen über eine Vollmitgliedschaft" zwischen ihr und ihrem Gastgeber "durchaus noch divergieren". Jeder weiß, Merkel und ihre Union lehnen einen Beitritt der Türkei ab.
Man kann lange darüber streiten, ob diese Position gut ist für Deutschland und Europa. Es gibt gute Gründe für einen Beitritt: die Nabucco-Erdgasleitung ist einer, die Verankerung eines demokratischen und islamischen Staates in Europa ein weiterer. Klar ist aber auch: Im Moment spricht einiges gegen einen Beitritt. Das Verhalten der Türkei Zypern gegenüber ist nicht dazu angetan, Vertrauen zu wecken. Auch ist der Demokratisierungsprozess noch längst nicht abgeschlossen.
Dass es in nächster Zeit keinen Beitritt der Türkei geben wird, weiß auch die türkische Regierung. Insofern ist es durchaus angebracht, darüber zu sprechen, wie man die Türkei schon jetzt enger an Europa binden kann. Der sozialdemokratische Fraktionschefs im EU-Parlament, Martin Schulz, hat kürzlich bei n-tv.de für ein Ende der doppelbödigen Politik plädiert: Schließlich stellt die EU der Türkei schon seit Jahrzehnten einen Beitritt in Aussicht. "Die Türkei ist zu wichtig, um die Verhandlungen einfach sang- und klanglos im Sande verlaufen zu lassen", sagt Unionsfraktionsvize Andreas Schockenhoff. Eine privilegierte Partnerschaft böte möglicherweise einen eleganten und sinnvollen Ausweg - späterer Beitritt nicht ausgeschlossen.
Natürlich können Deutschland oder die EU kein Ende der Beitrittsverhandlungen fordern. Aber man kann der Türkei zeigen, dass der Vorschlag einer privilegierten Partnerschaft nicht in jedem Fall als Affront gemeint ist und dass Alternativen zum Beitritt möglicherweise gut für die Türkei sind. Beides hat Merkel getan. Erdogan hat das Treffen mit Merkel "unglaublich erfolgreich" genannt. Auch wenn die Opposition und der Bundesaußenminister nicht zustimmen werden - Erdogans Lob wiegt schwerer.
Quelle: ntv.de