Griechenland erhält Chance Erster Erfolg - mehr nicht
09.03.2012, 13:05 Uhr
Griechenland rutscht nicht in die ungeordnete Insolvenz.
(Foto: dpa)
Es ist geschafft: Griechenland bekommt den Schuldenschnitt mit den privaten Gläubigern hin. Damit erhält es weitere internationale Finanzhilfe. Der Eurozone bleibt der Worst Case erspart. Dennoch sind die Griechen noch lange nicht aus dem Schneider. Vor ihnen liegt eine lange schmerzhafte Etappe mit vielen Entbehrungen.
Das war nichts für schwache Nerven: Die Erleichterung in Athen und den anderen europäischen Hauptstädten ist regelrecht zu spüren. Die quälenden Wochen mit zum Teil zermürbenden Verhandlungen hinsichtlich der Beteiligung der privaten Gläubiger bei der Rettung des haushaltspolitisch an der Beatmungsmaschine liegenden Griechenlands sind zu Ende. . Zwar beteiligen sich nur etwas mehr als 85 Prozent der Privaten freiwillig am Anleihetausch und nicht die von der griechischen Regierung geplanten 90 Prozent. Aber sei es drum: Die Griechen haben bereits vorgebaut und werden die Aktivierung der Umtauschklauseln nach eigenem Recht vornehmen. Das heißt, dass ein kleiner Teil der Gläubiger dazu gezwungen wird. Insgesamt wären es dann 95,7 Prozent des ausstehenden Kapitals, das in diese Aktion einbezogen wird.
Zuerst die gute Nachricht: Griechenland und seine Euro-Partner können zumindest durchatmen. Weil Athen nun mit einem Schlag mehr als 100 Milliarden Euro seiner Schulden loswird, ist die Gefahr einer ungeordneten Insolvenz erst einmal gebannt. können nun bewilligt werden. Damit kann eine weitere große Medikamentenlieferung zum todkranken Patienten auf den Weg gebracht werden. Zudem bleiben der Eurozone , die das gesamte Konstrukt vielleicht zum Einsturz gebracht hätten, erspart. Die Gefahr einer Ansteckung von kränkelnden größeren Staaten wie Italien und Spanien ist geringer geworden.
Die leichte Euphorie, die in Athen nach Bekanntgabe der Daten ausbrach, ist irgendwie verständlich. Nüchtern betrachtet, ist sie aber nicht nachvollziehbar. Regierungssprecher Pantelis Kapsis sprach von einem "historischen Moment". Finanzminister Evangelos Venizelos sah eine Unterstützung für "unser ehrgeiziges Reform- und Anpassungsprogramm". Das ist natürlich sehr dick aufgetragen, denn der bullige Pasok-Politiker und seine Kollegen mussten dazu regelrecht gezwungen werden. Ohne Aufrechterhaltung internationalen Drucks wären die drastischen Sparpakete gar nicht auf den Weg gebracht worden. Davon einmal abgesehen: Auch mit dem Schuldenschnitt ist Griechenland nicht über Nacht ein anderes Land geworden.
Damit kommen wir zur schlechten Nachricht: Mit dem Schuldenschnitt ändert sich für die Mehrheit der Griechen erst einmal nichts. Ihr Staat bleibt zwar irgendwie handlungsfähig, aber die harten Reformen bleiben den Menschen des Mittelmeerlandes nicht erspart. Der von den Athener Regierungen gemästete öffentliche Dienst muss radikal abgespeckt werden - einhergehend mit dem Aufbau einer funktionierenden Verwaltung, zu der eine Steuerbehörde, die diesen Namen auch verdient, gehört. Die Arbeitslosenquote wird weiter steigen: Derzeit beträgt sie mehr als 20 Prozent, . Arbeitsmarktpolitisch gesehen ist kein Licht am Ende des Tunnels zu sehen, denn die griechische Wirtschaft ist auch nach dem Schuldenschnitt nicht konkurrenzfähig. Das Land wird Jahre brauchen, ehe es das Tal der Tränen durchlaufen hat. Der ehemalige deutsche Wirtschaftsweise Bert Rürup spricht in diesem Zusammenhang von einer Konsolidierungsrezession. Klar ist: Griechenland wird auch nicht alleine auf die Beine kommen - es benötigt gezielte internationale Strukturhilfen.
Hätte der Schuldenschnitt nicht geklappt, wäre die Eurozone in noch größere Turbulenzen geraten. Der ist noch nicht installiert. Mit dem derzeitigen Fonds EFSF hätten die Auswirkungen eines Scheiterns nicht aufgefangen werden können. Auch die europäische Politik wäre mit einem Worst Case überfordert gewesen. Die zweitstärkste Euro-Wirtschaftsmacht Frankreich befindet sich im Wahlkampf - ihrem Präsidenten Nicolas Sarkozy droht dabei der Auszug auf dem Elysee-Palast. Italien und Spanien sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Auf dem Euro-Flaggschiff Deutschland schlägt sich Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihrer maroden Koalition herum. Und kleine osteuropäische Staaten wie die Slowakei und Estland, die ihren Menschen etatpolitisch sehr viel zugemutet haben, bringen für die Griechenland-Hilfe ohnehin kaum noch Verständnis auf.
Man darf sich nichts vormachen: Die größte Last der Rettung tragen nicht Banken, Versicherungen und andere private Gläubiger, sondern die Staaten und damit die europäischen Steuerzahler. So fällt zum Beispiel der milliardenschwere Umtausch der Athen-Anleihen der Bad Bank der Hypo Real Estate dem deutschen Staat auf die Füße. Auch bei der Commerzbank sitzt die Bundesrepublik mit im Boot. Damit verbunden ist eine zusätzliche Belastung der Haushalte in Berlin, Paris und anderswo.
Und es gibt noch genügend Fallstricke: In Griechenland soll im April gewählt werden. Die Spatzen pfeifen es bereits von den Dächern, dass es in Athen eine Mehrparteien-Regierung geben wird. Nur von welcher Couleur wird sie sein? Vor allem Parteien des radikaleren linken Spektrums erfahren laut Umfragen Zulauf, während vor allem für die sozialistische Pasok massive Einbußen prognostiziert werden. Auch die andere große Partei, die konservative Nea Dimokratia, wird gerupft aus dem Votum hervorgehen. So stehen Griechenland auch in politischer Hinsicht turbulente Monate bevor.
Allerdings stirbt bekanntlich die Hoffnung zuletzt. Jahrelang ist in Griechenland alles schief gegangen, was schief gehen konnte. Der gelungene Schuldenschnitt ist endlich einmal ein Erfolgserlebnis. Die Griechen sehnen sich - ihre persönliche Lage betreffend - regelrecht nach einer Perspektive. Diese muss Europa ihnen geben.
Quelle: ntv.de