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Zwischenruf Es kriselt in Putins Russland

Der Lack ist abgeplatzt: Putin und Medwedew.

Der Lack ist abgeplatzt: Putin und Medwedew.

(Foto: REUTERS)

Die Wahlfälschungen und -manipulationen stürzen Russland in eine Krise. Die Reaktionen auf die Proteste spiegeln die Unsicherheit der Herrschenden wider. Doch das System Putin wird überleben, wenn auch künftig nicht mehr so autokratisch regieren können wie bisher.

Der hat die Krise des Systems Putin offensichtlich gemacht. Die Brutalität, mit der Polizei und OMON-Sondereinheiten des Innenministeriums gegen vorgehen, zeigt, wie unsicher sich Premierminister und Präsident fühlen. Wladimir Putin und Dimitri Medwedjew fürchten nicht die künftige Zusammensetzung des Parlaments. Das hat ohnehin kaum etwas zu sagen. Die Richtlinienkompetenz liegt beim Präsidenten; in der zweiten Hälfte der Amtsperiode von Medwedjew ging sie de facto weitgehend an Putin über.

Ein festgenommener Demonstrant in Moskau gibt sich siegesgewiss.

Ein festgenommener Demonstrant in Moskau gibt sich siegesgewiss.

(Foto: dpa)

Das Resultat an den Urnen spiegelt noch klarer als die offiziellen Umfragen die wachsende Unzufriedenheit vieler Menschen wider. Russlands herrschende Klasse aus gefügigen Alt-Oligarchen der Jelzin-Zeit, Neu-Oligarchen von Putins Gnaden samt raffgierigen Bürokraten und Managern wird immer reicher, die Armen immer ärmer. Die Lebenserwartung ist drastisch zurückgegangen, Bildungs- und Gesundheitswesen lassen zu wünschen übrig, die Preissteigerungen übertreffen den Durchschnittslohn um mehr als die Hälfte. Die Boomtowns Moskau und Sankt Petersburg mögen glänzen. Auf dem flachen Lande ist davon vielerorts kaum etwas zu spüren.

Putins Vorwurf, die Proteste würden , zielt auf die Mobilisierung der russischen Volksseele, greift aber zu kurz. Es mag stimmen, dass mach einer NGO Gelder aus dem Westen zufließen. Doch man stelle sich vor, Parteichef Gennadij Sjuganow würde mit Dollars aus dem State Departement Hammer-und-Sichel-Wahlplakate seiner Kommunisten finanzieren, die ihren Stimmenanteil nahezu verdoppelt haben.

Selbst wenn am kommenden Samstag bei den Protesten der außerparlamentarischen Opposition einige Zehntausend auf die Straße gehen sollten: Dies wird das System Putin nicht in seinen Grundfesten erschüttern. Kritisch wird es erst, wenn sich KP und die Sozialdemokraten der Partei Gerechtes Russland auf einen gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentenwahlen im März einigen oder Bergleute und Metallarbeiter auf die Straße gehen wie in den letzten Monaten der Ära Gorbatschow. Dafür gibt es derzeit keinerlei Anzeichen.

Die "Außerparlamentarischen" repräsentieren in den Augen vieler die Jelzin-Zeit, in der von der Kontrolle über die Atomwaffen bis zum Lebensstandard so ziemlich alles den Bach hinunterging, was nicht niet- und nagelfest war. Außer dem Reichtum der Demokratiegewinnler. , wie sie Michail Gorbatschow fordert, wird es nicht geben. Das System Putin wird überleben. Doch es wird sich nach den Märzwahlen nicht mehr so autokratisch gerieren können wie bisher.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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