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Zwischenruf Funkenkarlchen und anderes Ungemach

Verschwindet langsam: die SPD.

Verschwindet langsam: die SPD.

(Foto: dpa)

Die aktuelle Forsa-Umfrage zeigt: Die SPD wird ihr Trauma nicht los, die FDP ist ohne Kurswechsel bedeutungslos. Die Grünen schwächeln parallel zum abflauenden Interesse an Fukushima. Und die Union hat im Meer der Ungewissheiten die Nase vorn.

Ist gerade verschwunden: Röslers FDP.

Ist gerade verschwunden: Röslers FDP.

(Foto: dpa)

Den Verlust Karl-Heinz Funke wird die deutsche Sozialdemokratie verkraften können: Angesichts des wachsenden Drucks wegen einer fremdbezuschussten Silberhochzeitsfeier will der Ex-Landwirtschaftsminister aus Ostfriesland seiner einstigen Partei nun im heimischen Varel Mores lehren. Sorgen dürfte der SPD eher bereiten, dass ihre Umfragewerte sich weiter um 25 Prozent bewegen. Dass in dieser Woche ein Prozentpunkt hinzugekommen ist, ist kein Trostpflaster, sondern ein Wundverband. Es ist der Partei nicht gelungen, die Wunden, welche die Agenda 2010 geschlagen hat, zu heilen. Dass nun mit Peer Steinbrück ausgerechnet einer der Hauptverantwortlichen für das Unglückskonvolut zum Mitglied der neuen Führungstroika erhoben wird, wird sich noch rächen. Dass mit Olaf Scholz ein anderer Hartzer die Wahlen in Hamburg gewonnen hat, steht auf einem anderen, lokalpolitischen Blatt. Was dem Hamburger Scholz daheim gelang, muss dem Hamburger Steinbrück bundesweit noch lange nicht gelingen. Außerdem: In der Vergangenheit hat die SPD mit ihren Troikakonstrukten eher Pech gehabt. Wenngleich die SPD derzeit mit den Grünen über eine knappe Mehrheit verfügt und beide der Linken vier kalte Schultern zeigen, so ist keinesfalls ausgemacht, dass diese Größe konstant bleibt. Der Dialog links von der Mitte wird wieder an Bedeutung gewinnen, wenn sich der Abwärtstrend der Grünen fortsetzt Trotz der innerparteilichen Querelen verfügen die Sozialisten über ein festes Potential von etwa zehn Prozent.

Die Umfragewerte der Grünen sinken in dem Maße wie das Thema Fukushima in den Hintergrund rückt. Der Spitze der Bundespartei muss man zugutehalten, dass sie dies in weiser Voraussicht stets so eingeschätzt hat. Insofern ist der mit 22 Prozent schlechteste Wert der Grünen weniger beängstigend. Sie können darauf setzen, dass der Wandel in der Wertestruktur der Mittelschichten von einiger Dauer ist. Als Ökoliberale sind sie heuer attraktiver als eine Partei, die nach dem Schiffbruch als Steuersenkungskäpt'n ausgerechnet wieder ins das gleiche Boot steigt, das trotz – vielleicht sogar wegen – des Kommandantenwechsels nun schon seit Monaten immer wieder gefährlich in die Nähe des Malstroms gerät. Die FDP in ihrer jetzigen Erscheinungsform hat sich historisch offensichtlich überlebt. Dies ist keineswegs gleichbedeutend mit dem Ende des Liberalismus, wenn die Partei die Kraft findet, Lambsdorff auszublenden und zu Scheel zurückzukehren.

Im Meer der Ungewissheiten hat die Union immer noch die Nase vorn. Zwar bewegt sich die Sonne der Kanzlerin bedenklich auf den Horizont zu. Doch sind die Bundesbürger bislang im Unterschied zu anderen EU-Staaten von den Auswirkungen der Schuldenkrise verschont geblieben. Dass man dies eher einem Finanzminister Wolfgang Schäuble zuschreibt als einem Wirtschaftsminister Philipp Rösler, liegt auf der Hand. Zwar beruht das immer wieder beschworene Jobwunder hauptsächlich auf einer gefährlichen Zunahme von Minijobs und Leiharbeit. Doch formal sinken die Arbeitslosenzahlen. Dies hat eine positive psychologische Wirkung. Langfristig ist es gefährlich, weil das Gespenst der Altersarmut dann reale Gestalt annimmt. Doch dieses Ungemach stört die Union heute noch nicht. Aber es ist weitaus gefährlicher als der verglühte Funke der SPD.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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