Zwischenruf Gaddafi ist noch nicht am Ende
10.03.2011, 13:36 Uhr
Die libyschen Rebellen bitten den Westen um Hilfe.
(Foto: dpa)
Wenn der Vorsitzende des Libyschen Nationalrats eine Flugverbotszone fordert, hat er die Folgen schlecht bedacht. Wie die Erfahrungen in anderen Ländern zeigen, geht es dabei nicht ohne Unterstützung durch Bodentruppen. Und erst recht nicht ohne "Kollateralschäden".
Eigentlich ist es eine Binsenwahrheit: Kein Umbruch in einem arabischen Land verläuft wie in einem anderen. Der libysche Diktator verfügt noch über hinreichend Rückhalt in der Armee, ganz offensichtlich aber auch in einem Teil der Bevölkerung. In dem nordafrikanischen Land ist ein Bürgerkrieg entbrannt, dessen Ausgang völlig ungewiss ist. Fraglich ist, ob die Aufständischen, die sich unter der Fahne der korrupten Monarchie von Idris I. versammeln, eine demokratische Alternative zum gegenwärtigen Regime bieten oder nur eine andere Form einer Diktatur anstreben. Die Bruchlinien zwischen Aufständischen und Regimetreuen verlaufen zudem ungefähr entlang der Grenzen jener Gebiete, aus denen 1951 der einheitliche libysche Staat gebildet wurde. Der Kopf der Rebellion Mustafa Abdel Dschalil war bis vor kurzem unter "Bruder Oberst" Justizminister.
Wenn der nunmehrige Vorsitzende des Libyschen Nationalrats jetzt die Errichtung einer Flugverbotszone fordert, hat er die Konsequenzen schlecht bedacht. Die Vereinigten Staaten halten sich aus gutem Grund zurück. Die Luftwaffe des Diktators besteht nicht nur aus relativ veralteten sowjetischen Maschinen, sondern auch aus modernsten Mirage-Kampfflugzeugen französischer Bauart. Und sie ist offensichtlich einsatzfähig. Wie die Erfahrungen in Bosnien-Herzegowina, Serbien und im Irak zeigen, geht es schlussendlich nicht ohne Unterstützung durch Bodentruppen. Ganz zu schweigen von den verschämt mit "Kollateralschäden" umschriebenen Opfern unter der Zivilbevölkerung, die eine solche Aktion nach sich ziehen würde. In Afghanistan gab es im vergangenen Jahr mehr zivile Tote als in den Jahren zuvor.
Die EU will dem Votum des Europäischen Parlaments für eine "non fly zone" augenscheinlich nicht nachkommen. Portugals Außenminister Luís Amado empfing nach Absprache mit der Außenbeauftragen Catherine Ashton einen Abgesandten aus Tripolis. Portugal steht dem für Sanktionen gegen Libyen verantwortlichen UN-Komitee vor und ist nichtständiges Mitglied des Sicherheitsrats. Ohne ein Mandat des Gremiums wäre eine Flugverbotszone eine abermalige Verletzung des Völkerrechts. Ohne Mandat vom New Yorker East River ist auch eine Zustimmung der Arabischen Liga kaum vorstellbar. Es läuft alles auf einen Kompromiss zwischen Diktator und Widerstand hinaus. Es sei denn, der Westen riskiert mitten im arabischen Umbruch einen dritten Krieg in einem islamischen Land mit ungewissem Ausgang.
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de