Zwischenruf Israel gegen Iran: Krieg jetzt?
05.03.2012, 15:09 Uhr
Baut der Iran an einer Atombombe?
(Foto: picture alliance / dpa)
Israel drängt die USA erneut, einem Angriff auf Irans Atomanlagen zuzustimmen. Washington hingegen will Jerusalem trotz martialischer Rhetorik von dem Plan abbringen. Fortschritte im Atomstreit mit Nordkorea zeigen: Verhandlungen sind der einzige Weg. Ein Kommentar von Manfred Bleskin.
Der Zeitpunkt der neuerlichen israelischen Drohungen gegen den Iran ist Kalkül: Bei den Wahlen zur Madschlis-al-schuura, der parlamentsähnlichen Versammlung des Iran, haben die Anhänger von Staatspräsident Mahmud Ahmadinedschad eine empfindliche Schlappe hinnehmen müssen. Die vom obersten geistlichen Führer Ali Chamenei und dem sogenannten Wächterrat unterstützte konservative Gruppierung von Parlamentssprecher Ali Laridschani ist klarer Sieger des Urnengangs. Ahmadinedschad und Laridschani sind einander in herzlicher Feindschaft verbunden. Der Machtkampf geht mit dem Wahlergebnis in eine neue Runde.
Doch das Kalkül droht nicht aufzugehen. Die Kräfteverschiebung zugunsten der Mullahs, denen das eifernde Sektierertum des Präsidenten ein Dorn im Auge ist, dürfte sich lediglich auf die Innenpolitik auswirken. In der Atompolitik sind die Lager im Wesentlichen auf einer Linie. Laridschani, einst zuständig für die Verhandlungen mit der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und wahrscheinlicher Kandidat für das Präsidentenamt bei den Wahlen im nächsten Jahr, ist geschmeidiger als der Amtsinhaber und lässt sich sogar mit der eigentlich verpönten Krawatte sehen: In der Sache ist er ebenso hart wie Ahmadinedschad. Außerdem hat Chamenei in allen Fragen das letzte Wort.
Im Falle eines Angriffs von außen - das ist eine Binsenwahrheit nicht nur für den Iran - würden die Lager ohnehin ihr Kriegsbeil vergraben. Zumindest vorübergehend. Premier Benjamin Netanjahu will seinem Gastgeber im Weißen Haus jetzt die Pistole auf die Brust setzen, um Barack Obama zur Zustimmung und Unterstützung, zumindest aber zur Duldung eines israelischen Angriffs auf die iranischen Atomanlagen zu bewegen. Verbal hat der US-Präsident mit dem Wort von "allen Optionen", die auf dem Tisch lägen, zugestimmt.
Obama steht unter dem Druck der fundamentalistischen Präsidentschaftsbewerber der Republikanischen Partei, aber auch aus den eigenen, demokratischen Reihen. Hinter verschlossenen Türen dürfte Obama aber versuchen, Netanjahu von seinem Vorhaben abzubringen. Die Vereinigten Staaten haben in Nah- und Mittelost schon so genug Probleme am Hals. Auch die Aussage der CIA, der Iran habe noch gar nicht über den Bau einer Bombe entschieden, ist nicht ohne das Placet des Weißen Hauses an die Öffentlichkeit gelangt. Der einzige Weg zur Lösung des Atomstreits führt über den Verhandlungstisch. Warum sollte im Falle des Iran unmöglich sein, was bei Nordkorea möglich zu werden scheint?
Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de