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Zwischenruf Karsai fürchtet um sein Leben

Blickt in eine ungewisse Zukunft: Der Abzug der westlichen Truppen könnte für Hamid Karsai gefährlich werden.

Blickt in eine ungewisse Zukunft: Der Abzug der westlichen Truppen könnte für Hamid Karsai gefährlich werden.

(Foto: picture alliance / dpa)

Zehn Jahre nach der Invasion am Hindukusch herrscht Chaos in Afghanistan. Gut ein Jahr vor dem Abzug der ausländischen Kampfeinheiten wächst die Furcht vor einer Machtübernahme der Taliban. Die Zukunft des Landes liegt in der Hand obskurer Warlords. Doch deren künftige Rolle ist mit einem Fragezeichen versehen.

Nach zehn Jahren Krieg in Afghanistan fällt die Bilanz verheerend aus. Da hilft es auch nichts, wenn der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder jetzt am Sinn des Einmarsches zweifelt. Es war und bleibt eine Fehlentscheidung.

Mit dem bevorstehenden Abzug der US-geführten Truppenkontingente wird das Chaos noch chaotischer. Vor diesem Hintergrund verstärkt Präsident Hamid Karsai seine Kritik am westlichen Militäreinsatz. Wie wenig sein Wort gilt, wird nicht zuletzt am Tod weiterer Kinder bei einem kürzlichen Hubschraubereinsatz der US-Truppen deutlich. Karsai hatte seinen Sicherheitskräften wegen des wachsenden Unmuts der Afghanen über die "Kollateraltoten" vor Wochen verboten, bei Kampfhandlungen Luftunterstützung der NATO anzufordern.

Der Mann, der den Samen der Demokratie pflegen sollte, wurde vom Westen offensichtlicher Wahlbetrug nachgesehen. Er war stets eine Marionette der US-Administration. So wie sein Amtsvorgänger dereinst Mohammed Nadschibullah ein Instrument des Kreml war.

 Nadschibullah, der sich nach dem Einmarsch der Taliban 1992 in die Kabuler UN-Mission geflüchtet hatte, wurde von den Radikalislamisten unter Bruch des Völkerrechts aus der Vertretung herausgeholt und öffentlich aufgehängt. Bis zuletzt hatte er seinen Herren in Moskau die Treue gehalten. Diesen Fehler will Karsai nicht begehen. Je näher der Truppenabzug der ausländischen Kontingente rückt, desto heftiger werden seine Attacken auf den Westen.

Es ist die Sorge um seine und seines Clans Zukunft, die ihn antreibt. Dabei hat Karsai zweifellos das Bild des toten Vorgängers vor dem Präsidentenpalast in Kabul vor Augen. Aus Furcht vor den wiedererstarkten Taliban bemüht sich der Staatschef um Verhandlungen mit seinen Gegnern. Ausgerechnet in Doha, der Hauptstadt des Golfemirats Katar, einem der wichtigsten Unterstützer der Gesinnungskumpane von Taliban und Al-Kaida in der syrischen Opposition. Bislang blieben Erfolge aus. Es ist auch kaum mit substantiellen Fortschritten zu rechnen.

Die afghanisch-paschtunischen Taliban haben sich weitgehend von der arabisch dominierten Al-Kaida Osama bin Ladens gelöst und versuchen so, ihr Bild von Terroristen abzustreifen. Sie werden sich kaum auf einen Deal einlassen und versuchen, nach dem Abzug der ausländischen Kampftruppen die ganze Macht an sich zu reißen.

Entscheidend wird sein, wie sich die Kriegsherren und ihre Paramilitärs, allen voran die kampfstarken Dschuzdschani-Milizen von Usbekenführer Raschid Dostum, verhalten. Der hatte im Verlauf des Bürgerkriegs mehrmals die Fronten gewechselt, war zeitweilig sogar Verbündeter der kommunistischen Volkspartei und lieferte den Kommunisten Nadschibullah schließlich an die Taliban aus. Wer solche Freunde hat, brauch eigentlich keine Feinde mehr. Das weiß auch Karsai. Man darf gespannt sein, wie scharf sein nächster Verbalangriff auf den Westen ausfällt.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er

war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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