
Ein Bild aus Mariupol vom vergangenen Freitag. Es zeigt ein Wohnhaus, das von einem Panzer der russischen Armee beschossen wird.
(Foto: picture alliance/dpa/AP)
Die Bundesregierung will weiter russische Rohstoffe einführen, auch aus Angst vor der öffentlichen Meinung. Der Importstopp muss trotzdem kommen. Denn wir haben einiges gutzumachen.
Die Gründe, warum die Bundesregierung nicht auf Kohle, Öl und Gas aus Russland verzichten will, sind gut. Sie sind jedoch nicht gut genug. Auch wenn nicht jeder Euro, den die russischen Staatskonzerne für ihre Energielieferungen kassieren, unmittelbar in den Krieg gegen die Ukraine fließen sollte: Jeder einzelne dieser Euros unterstützt ein Regime, das ein demokratisches Nachbarland terrorisiert; das Wohngebiete, Krankenhäuser und Zivilisten bombardiert und die eigene Bevölkerung unterdrückt. Ein solches Regime finanziell zu unterstützen, ist moralisch verwerflich und gegen Deutschlands Interessen.
Die Bundesregierung spricht ihr zentrales Argument erfreulich deutlich aus: Sie hat Angst, dass die Folgen einer solchen Entscheidung die Stimmung in der Bevölkerung kippen lassen könnte. "Man kann das natürlich tun, aber man muss sich klarmachen, welchen Preis man bezahlt", sagte Wirtschaftsminister Robert Habeck kürzlich. "Und mir scheint, dass das einigen nicht klar ist." Habeck und auch der Rest des Kabinetts haben nicht nur Angst vor den Wählerinnen und Wählern. Die Bundesregierung befürchtet auch, "dass die europäische Wirtschaft wankt, richtig eine schwere Rezession erleidet, und wir damit die anderen Sanktionen gar nicht mehr durchhalten können".
Das sind Gründe, die man nicht leichtfertig vom Tisch wischen kann. Aber es ist die Aufgabe der Bundesregierung, die Folgen der Sanktionen abzufedern - für die Wirtschaft, für die Gesellschaft, für Haushalte, die schon in normalen Zeiten knapp bei Kasse sind. Und es ist die Aufgabe der Regierung, den Bürgerinnen und Bürgern zu erklären, welche Folgen ihre Politik hat, dafür zu werben, dass wir die Sanktionen eben doch durchhalten. Das kann gelingen. Im Moment ist die Mehrheit der Deutschen für einen Stopp von Energieimporten aus Russland. Seit der Flüchtlingskrise 2015 dürfte jedem klar sein, dass solche Stimmungsbilder kippen können. Der Kampf um die öffentliche Meinung bei steigenden Energiepreisen, bei Firmenpleiten und einem Anstieg der Arbeitslosigkeit wird schwierig sein. Auch Stimmen, die einen Importstopp jetzt besonders laut fordern - darunter Teile der Opposition -, werden dann ins Jammern und Kritisieren fallen.
Keine Zusammenarbeit mit diesem Russland
Das russische Gas, das russische Öl und die russische Kohle wird mit Blut erkauft. Der Westen, Europa, Deutschland müssen jedes Mittel nutzen, um den Kriegsverbrecher im Kreml zu schwächen. Und selbst, wenn dies nicht gelingen sollte: Es muss ein Tabu sein, zur Bereicherung dieses Regimes beizutragen. Solange Russland keinen Frieden mit der Ukraine gemacht hat, solange Russland keine Reparationen gezahlt hat für die Zerstörung eines friedlichen Landes, kann es keine wirtschaftliche Zusammenarbeit zum Vorteil des Kreml geben.
Es stimmt, dass solche Forderungen leichter erhoben sind als durchzuhalten - und durchgehalten werden müssen sie. Aber Deutschland hat einiges gutzumachen. Weder die fast vollständige Zerstörung von Grosny im zweiten Tschetschenienkrieg noch die russischen Bombenteppiche in Syrien oder die russischen Angriffe auf die Ukraine seit 2014 haben Deutschland davon abgehalten, sich noch stärker abhängig von Russland zu machen und Russland mit den finanziellen Mitteln zu versorgen, mit denen Putin seine Panzer, Raketen und Soldaten bezahlt.
Und ja, dies ist ein moralisches Argument, also eines, über das sich selbsterklärte Realpolitiker gern lustig machen. Aber es hat auch eine realpolitische Komponente, denn die friedlichen Demokratien müssen um ihrer selbst willen den gewaltbereiten Autokraten dieser Welt Einhalt gebieten. Wenn auch nur der Hauch einer Chance besteht, dass ein Importstopp von Gas, Öl und Kohle aus Russland den russischen Terror in der Ukraine schneller beendet, dann sollte die Bundesregierung sich ein Herz fassen und diesen Schritt wagen.
Quelle: ntv.de