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Zwischenruf Kofi Annans Wunderlampe

Der Friedensplan des UN-Sondergesandten Annan beinhaltet unter anderem einen sofortigen Waffenstillstand zwischen den beteiligten Parteien, den Abzug schwerer Waffen aus Wohngebieten und humanitäre Hilfe für die Bevölkerung.

Der Friedensplan des UN-Sondergesandten Annan beinhaltet unter anderem einen sofortigen Waffenstillstand zwischen den beteiligten Parteien, den Abzug schwerer Waffen aus Wohngebieten und humanitäre Hilfe für die Bevölkerung.

(Foto: dpa)

Der Konflikt in Syrien kann nur mit friedlichen Mitteln beendet werden. Dazu bietet der Sechs-Punkte-Plan von Kofi Annan eine gute Grundlage. Jedweder Druck von außen wird eine Lösung erschweren, eine Invasion würde die Levante in Brand setzen.

Es würde an ein Wunder grenzen, gelänge es, den Konflikt in Syrien friedlich zu beenden. Kofi Annan, der ehemalige Generalsekretär der Vereinten Nationen, hat es zumindest geschafft, das Licht der Wunderlampe am Ende des Tunnels zu entzünden. Sein Ende ist noch lange nicht erreicht. Um dort hinzugelangen, sollte den Konfliktparteien Zeit gegeben werden. Aufrufe, wie die von US-Außenministerin Hillary Clinton, man wolle nun endlich Taten sehen, sind da wenig hilfreich. Zudem ist der Appell einseitig an die Adresse des Assad-Regimes gerichtet. Auch die Aufständischen sind aufgefordert, ihre bewaffneten Aktionen einzustellen. Wie Baschar al-Assad war zunächst auch der in Istanbul ansässige Syrische Nationalrat nicht bereit, Annans Plan zu akzeptieren.

Doch ist die Opposition alles andere als homogen. Die Anerkennung des Nationalrats als Vertreter der Assad-Gegner durch mehrere Oppositionsgruppen bedeutet nicht, dass sich alle Oppositionellen dem Beschluss beugen. Die Kurden, mit bis zu 15 Prozent Anteil an der Gesamtbevölkerung größte Minderheit, haben lediglich einen Vertreter im Rat. In Syrisch-Kurdistan agieren mehrere Parteien, von denen eine mit der PKK in der Türkei sympathisiert. Ob der Rat auch die rund eine Million Drusen repräsentiert, ist fraglich.

Offen ist auch, wie sich die Christen in Syrien verhalten, zu denen immerhin zehn Prozent der knapp 21 Millionen zählenden Gesamtbevölkerung gehören. Die Christen sympathisieren zwar nicht mit dem alawitischen Herrscherclan. Doch genießen die seit Menschengedenken in Syrien lebenden Christen im Vergleich zu Saudi-Arabien eine weitestgehende Religionsfreiheit. Die Syrisch-Orthodoxe Kirche entstand in Antiochia aus einer der ersten christlichen Gemeinschaften überhaupt. Viele Christen sind aus Furcht vor radikalislamischen Eiferern außer Landes gegangen. Der Vatikan berichtet von religiös-ethnischen "Säuberungen" in der "Rebellenhochburg" Homs durch Gruppen, die von Saudi-Arabien unterstützt werden.

Unklar ist auch die Machtposition von Baschar al-Assad. Sein Clan erscheint zwar als Spitze eines brutalen Eisbergs, doch Armeeführung und Geheimdienste verfolgen offenbar durchaus eigene Interessen. Besonders vertrackt sind die geostrategischen Aspekte des Konflikts. Syrien ist der einzig zuverlässige Verbündete Russlands und Chinas im Nahen Osten; in Tartus unterhält die russische Flotte ihren einzigen Stützpunkt in der Region. Das Interesse Moskaus an Syrien ist mithin ebenso groß wie das Washingtons an Bahrein. Dort befindet sich die Basis der Fünften US-Flotte. Die Niederschlagung des Aufstands der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in dem sunnitisch beherrschten Königreich durch Saudi-Arabien liegt im Interesse der Vereinigten Staaten. Analog dazu das Bestreben der Russischen Föderation, die Assad-Diktatur am Leben zu halten.

Syrien ist neben dem proiranisch regierten Libanon zudem einer der beiden Alliierten Teherans. Ein Ende der Alawitenherrschaft in Syrien würde auch die Position des Iran schwächen. Die Alawiten gelten als eine Strömung der Schia. Das wiederum erklärt auch das Interesse Israels und der sunnitischen Staatenmehrheit in der Arabischen Liga am Sturz Assads. Israel hält seit 1967 die syrischen Golanhöhen besetzt, 1981 wurde das Gebiet annektiert.

Ein von Saudi-Arabien geforderte ausländische Invasion in Syrien, wiewohl sie schon im nordafrikanischen Libyen ein Chaos hinterlassen hat, wäre Initialzündung eines Flächenbrandes, der auch auf Gebiete außerhalb der unmittelbaren Konfliktzone übergreifen würde. Insofern zeugt die Zustimmung der Konfliktparteien zum Annan-Plan auch von internationalem Verantwortungsbewusstsein. Ein Ausweg kann schlussendlich nur durch allgemeine, geheime und freie Wahlen gefunden werden. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg durch den Tunnel. Da sollte keine Seite zu viel Wind machen, sonst ist Kofi Annans Wunderlampe rasch wieder erloschen.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist er Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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