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Zwischenruf Libyen: Soll der Westen einmarschieren?

Der Westen will in der Unruheregion Libyen nicht militärisch intervenieren. Und er sollte es auch nicht. Denn der Sturz der Gaddafi-Diktatur muss durch das libysche Volk selbst erfolgen. Der Irak und Afghanistan sollten Lehre genug sein.

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(Foto: REUTERS)

Die Europäische Union winkt ab. Man sei von der Entscheidung über eine Truppenentsendung weit entfernt. Und wenn, dann auch nur, um die noch im Lande verbliebenen Europäer herauszuholen. Libyen ist aber nicht Albanien, wo die Bundeswehr im Rahmen der "Libelle" genannten Aktion kurz mal hineinging, um deutsche sowie andere ausländische Bürger aus dem im Chaos versinkenden Land herauszuholen. Die Gefahr, zur Bürgerkriegspartei zu werden, ist groß. Für Muammar al-Gaddafi käme dies gerade Recht, die Mär von einer fremd gesteuerten Erhebung zu untermauern. Die dem Diktator immer noch ergebenen Truppen und ausländische Söldner sind offensichtlich zu allem bereit.

Der Westen erntet seit Beginn des Aufstandes in Ägypten die faulen Früchte einer jahrzehntelangen außen-, militär- und sicherheitspolitischen Fehlstrategie. Es war grundfalsch, sich im Kampf gegen terroristische Bewegungen vom Schlage einer al-Kaida und im Interesse der Sicherung des Erdöl- und Erdgasbedarfs auf diktatorische respektive autokratische Regimes zu stützen. Dies gilt im Übrigen auch für Russland, das mit dem nordafrikanischen Land erst jüngst die Lieferung modernster Kriegstechnik vereinbart hatte. Einem wüsten Schwafler – wenn auch erst nach Jahren - den Mord an 259 Passagieren des PanAm-Flugs 103 im Jahre 1988 zu verzeihen, ist ebenso unverständlich wie das Schweigen der DDR-Führung nach dem Tod des als Honecker-Gegenspieler gehandelten SED-Politbüromitglieds Werner Lamberz ein Jahr zuvor über der libyschen Wüste. Im Rahmen der geplanten Sanktionen der EU gegen Libyen ist ein Waffenembargo vorgesehen. Das Mindeste, wenn man bedenkt, dass europäische Rüstungskonzerne seit Aufhebung des Boykotts 2004 Milliarden verdient haben.

Das Volk selbst muss Gaddafi stürzen

US-Präsident Barack Obama hat das Blutvergießen in Libyen erst nach langem Schweigen verurteilt. Wenn Washington nun die Errichtung einer Flugverbotszone in Erwägung zieht, ist das ein erster Schritt in Richtung eines weitergehenden militärischen Engagements. Wenn kann das nur durch Mitgliedsländer der Arabischen Liga oder der Afrikanischen Union erfolgen. Der Sturz der Gaddafi-Diktatur muss durch das libysche Volk selbst erfolgen. Der Irak und Afghanistan sollten Lehre genug sein.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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