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Druck im CDU-Kessel steigt Merkel und die Konservativen

Angela Merkel hat ein Problem. Nicht alle in der CDU wollen ihr folgen.

Angela Merkel hat ein Problem. Nicht alle in der CDU wollen ihr folgen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Seit Frühjahr 2000 führt Angela Merkel die CDU. Sie versucht die Modernisierung der Partei und verprellt dabei die Konservativen. Aber die CDU hat ein weiteres großes Problem: Sie hat derzeit keine wirkliche personelle Alternative zur Bundeskanzlerin. Ihr Kritiker Schlarmann spricht von Zuständen wie am Zarenhof.

Hoffentlich hat sich Angela Merkel im Urlaub gut erholt. Kaum wieder zurück in der Berliner Politik-Tretmühle, hat sie der Alltag schneller eingeholt als gewünscht. Nach dem Kunstgenuss in Bayreuth und den Spaziergängen in Südtirol gilt für die 58-Jährige nun wieder: Ellenbogen ausfahren, neue politische Schachzüge vorbereiten, stundenlang verhandeln, den Euro retten und Attacken abwehren.

Josef Schlarmann greift seine Parteivorsitzende an.

Josef Schlarmann greift seine Parteivorsitzende an.

(Foto: dapd)

Diesmal ist es ihre CDU, die der Kanzlerin den Arbeitsbeginn vergällt. Ihr parteiinterner Widersacher Josef Schlarmann sorgt dafür, dass Merkel nicht zur Ruhe kommt. Da kommt es der Regierungschefin gelegen, dass sie ganz weit weg nach Kanada fliegen muss. Da liegt zwischen ihr und dem aufmüpfigen Vorsitzenden der Unions-Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung wenigstens für ein paar Stunden der Atlantik. Und die Gespräche mit Kanadas Premier Stephen Harper sind mit Sicherheit angenehmer, als das parteiinterne Gezänk. Informationen über die Meeres- und Polarforschung an der Dalhousie Universität in Halifax erweitern zudem den Wissenshorizont.

Schlarmann verzichtete auf das Florett und zog gleich den Säbel. In der CDU gehe es zu wie am Zarenhof, beklagt er. Obwohl Merkel einen Porträtstich von Katharina II. auf dem Schreibtisch stehen hat, ist das natürlich starker Tobak. Denn ganz so machtbesessen wie die aus dem Haus Anhalt-Zerbst-Dornburg stammende Herrscherin, die 1762 ihren Gatten Peter III. ins Jenseits befördern ließ, ist die langsam zur CDU-Langzeitvorsitzenden mutierende Pfarrerstochter nun wirklich nicht. Und die Zeit des feudalen Absolutismus ist in Deutschland schon lange vorbei. Mag sein, dass es innerhalb der CDU gewisse Probleme im Verhältnis zwischen Oben und Unten, Bundesspitze und Landesspitzen oder Parteiführung und Arbeitsgemeinschaften gibt. Schlarmanns Zuspitzung ist schon zulässig, eine Zarin ist seine Parteichefin aber nicht.

Viel gelernt von Kohl

Natürlich hat der Mittelstandspolitiker recht, wenn er bemängelt, dass die Macht zunehmend im Kanzleramt gebündelt wird. Sein Frust darüber ist verständlich. Allerdings ist es nicht das erste Mal, dass der CDU dies widerfährt. Da gab es die Auseinandersetzung zwischen Helmut Kohl und seinem "General" Heiner Geißler, die 1989 zum Showdown auf dem Bremer Parteitag führte. Kohl brachte im Vorfeld fast jeden CDU-Kreisvorsitzenden per Telefon auf Linie. Geißler musste gehen, seine Mitstreiter Rita Süssmuth und Lothar Späth wurden politisch bedeutungslos. Kohl behielt "seine" CDU fest im Griff.

Merkels politischer Lehrer war Helmut Kohl.

Merkels politischer Lehrer war Helmut Kohl.

(Foto: picture alliance / dpa)

Was Machterhalt- und -ausbau angeht, hat Merkel bei ihrem ehemaligen Chef viel gelernt. Dabei hatte sie es nach der Übernahme des CDU-Vorsitzes noch viel schwerer, sich zu behaupten. Sie war nicht mit beziehungsweise in der Partei groß geworden wie Kohl. Sie hatte im Gegensatz zum Pfälzer nicht so viele Vertraute in allen Teilen der Bundesrepublik. Merkel gehörte auch keinem Andenpakt oder irgendeiner anderen parteiinternen Verbindung an. Die sachlich-nüchterne, mitunter etwas spröde Physikerin hat - und da wären wir beim System Kohl und dem System Merkel - doch einen anderen Führungsstil. Eines eint Merkel allerdings mit Kohl: Beide sind äußerst misstrauisch. Auch bei Merkel gibt es einen engen Beraterkreis mit einer überschaubaren Anzahl von Personen. Minister ihres schwarz-gelben Kabinetts werden schon einmal vor vollendete Tatsachen gestellt. Aber: Das war bei anderen Bundeskanzlern nicht anders.

Schlarmanns Kritik zielt auf einen wunden Punkt von Merkel: ihre thematische Biegsamkeit, die zur Verwässerung des CDU-Profils beiträgt. Mitunter hat man den Eindruck, Merkel könnte auch Chefin der SPD sein, oder der Grünen. Zumindest bis 2005 - erinnert sei an den neoliberal angehauchten Leipziger Parteitag 2003 - hätte sie auch die FDP führen können.

Ihr Modernisierungskurs - Stichwort Großstadtpartei - ist es, der die Konservativen verprellt. Der dieser Gruppierung zugehörende sächsische CDU-Landtagsfraktionschef Steffen Flath spricht sogar von einem "Modernisierungswahn". Seine Kritik mag berechtigt sein. Aber was bleibt der CDU übrig? Die Welt, Europa und Deutschland verändern sich. Also muss sich auch die CDU verändern, will sie weiter die wichtigste politische Kraft des ökonomisch stärksten EU-Landes bleiben. Allerdings darf Merkel, will ihre CDU weiter Regierungsverantwortung tragen, die Stammklientel nicht verprellen.

Wahlniederlagen in den Ländern

Merkels innerparteiliche Gegner, die zumeist aus der alten Bundesrepublik und aus dem katholischen Milieu stammen, haben Angst, dass Teile der traditionellen Stammwählerschaft bei der Bundestagswahl im kommenden Jahr zuhause bleiben. Erste Anzeichen dafür gibt es, Merkels Weg seit dem Bundesvotum von 2009 ist einer mit Niederlagen. Bundesland für Bundesland ging für die CDU verloren. Auch die Umfragen in Niedersachsen verheißen nichts Gutes.

Merkel sei "mit Blick auf die bevorstehenden Wahlen das Beste, was uns passieren kann", sagt der Rheinländer Wolfgang Bosbach, ebenfalls ein erklärter Konservativer. Das stimmt natürlich, denn es gibt derzeit in der CDU keinen anderen Politiker, der ins Kanzleramt einziehen könnte. Dafür hat Merkel selbst gesorgt: Friedrich Merz, Norbert Röttgen, Roland Koch, Ole von Beust, Christian Wulff, sie sind alle weg. Zurzeit ist völlig unklar, wen Merkel überhaupt für ihre Nachfolge an der Parteispitze favorisiert und aufbaut. Sie allein auf weiter Flur, da muss die CDU um ihre Zukunft fürchten.

Erfolgreiche Vorsitzende beherrschen nicht nur ihre Partei, sondern sorgen auch für einen geordneten Machtübergang. Das ist Kohl nicht gelungen - sein Naturell ließ es nicht zu. Noch ist offen, ob Merkel diesen Fehler wiederholen wird.

Quelle: ntv.de

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