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Zwischenruf NPD-Hetze: Das Fehlurteil von Karlsruhe

Das Urteil des Bundesgerichtshofes über die Pflicht der Deutschen Post, in Leipzig ein kostenloses Propagandablatt der rechtsradikalen NPD zu verteilen, ist ein Schlag ins Gesicht der Demokratie. Künftig kann die Post gezwungen werden, solches Zeugs auch andernorts auszutragen.

Der BGH hat entschieden: Die Post muss Sendungen der rechtsextremen NPD ausliefern.

Der BGH hat entschieden: Die Post muss Sendungen der rechtsextremen NPD ausliefern.

(Foto: dapd)

Der Bundesgerichtshof sollte als höchste Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland eigentlich Urteile fällen, die der Demokratie dienen, den demokratischen Staat festigen. Die Entscheidung, die Deutsche Post müsse 200.000 Exemplare eines kostenlosen Blattes der sächsischen NPD-Nazis in Leipzig verteilen, spricht der Demokratie Hohn.

Nicht etwa, dass die Leser der Ergüsse automatisch zu Wählern der Nazis würden. Es ist zu hoffen, dass die meisten das Zeugs dorthin befördern, wo es hingehört: in die Papiertonne. Ganz umweltfreundlich. Dann erfüllt es wenigstens einen guten Zweck. So wie das Gedankengut der Autoren auf den Müllhaufen der Geschichte gehört. Werden sich Briefträger weigern, das Blatt auszutragen? Sie könnten wegen Arbeitsverweigerung belangt werden. Wer riskiert heute seinen Job?

Ein Präzedenzfall

Das Problem ist der Präzedenzfall. Selbst wenn die untergeordnete Gerichtsbarkeit, also Landgerichte und Oberlandesgerichte, in zu erwartenden gleichgelagerten Fällen geschlossen anders entscheiden als die Karlsruher: Diese könnten die Beschlüsse immer wieder kippen. Man kann es drehen und wenden, wie man will. Durch eine formaljuristische Entscheidung hat eine Partei, deren Verbot von einer Mehrheit in der Bevölkerung befürwortet und von maßgeblichen Vertretern in der Politik betrieben wird, einen Sieg errungen.

Der Karlsruher Spruch erfolgt in einer Zeit, in der Sicherheitsbehörden und Geheimdienste offen ihr Versagen bei der Aufklärung der Untaten der NSU-Mörderbande zugeben müssen. Die NSU mäanderte bis in die NPD hinein. Unabhängig davon, gehen NPD, ihre Gliederungen und ihr Umfeld in den sogenannten "Freien Kameradschaften" selbst gewalttätig gegen Demokraten und Schutzlose vor.

Das Ziel der Nazipartei ist es, in die Mitte der Gesellschaft vorzudringen. In Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist sie bereits in den Landesparlamenten vertreten. In Brandenburg, wo sie mit der inzwischen bedeutungslosen DVU einen Pakt geschlossen hatte, haben die Wähler sie wieder hinausgekickt. Mit dem heutigen Fehlurteil sind die Chancen gestiegen, dass die Braunen ihren Ungeist ganz legal verbreiten können.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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