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Zwischenruf Nordkorea - Wahnsinn mit Methode

Parade in Pjöngjang: Die tatsächliche militärische Stärke Nordkoreas ist unklar. Zurzeit hält Südkorea aber gemeinsam mit den USA ein Manöver ab.

Parade in Pjöngjang: Die tatsächliche militärische Stärke Nordkoreas ist unklar. Zurzeit hält Südkorea aber gemeinsam mit den USA ein Manöver ab.

(Foto: AP)

Nach atomarem Kriegsgetöse sind nun erneut sanfte Töne aus Pjöngjang zu hören: Die wirtschaftliche Sonderzone Kaesong soll wieder eröffnet werden, Familienzusammenführungen sollen wieder möglich sein. Niemand aber kann garantieren, dass dies so bleibt.

Die Politik Nordkoreas ist – zumindest auf den ersten Blick - derart irrational, dass es nicht Wunder nimmt, wenn man den jeweils inthronisierten Spross der Kim-Dynastie als Verrückten oder Spinner bezeichnet. Doch der Wahnsinn hat Methode. Die bizarre Politik des urplötzlichen Wechsels zwischen Kriegshetze und Entspannungsrhetorik ist Prinzip in dem Land, das gern als kommunistisch apostrophiert wird und doch wenig mehr ist als eine republikanisch drapierte Monarchie. Waren die US-amerikanisch-südkoreanischen Manöver früher Anlass zu wilden Verbalattacken und sogar militärischen Schritten, verhält sich Pjöngjang diesmal völlig anders. Bis jetzt zumindest.

Die martialischen Gebärden des neuen Machthabers Kim Jong Un in den ersten Monaten dieses Jahres waren Bestandteil des – gelungenen – Versuchs, seine Macht zu festigen und das Militär auf sich einzuschwören. Die kriegslüsterne Begleitmusik ist auch darauf zurückzuführen, dass das Regime über keinen anderen Trumpf verfügt als seine Atomwaffen. Hinzu kommt, dass die Erinnerung an die Schrecken des Koreakrieges noch immer tief sitzt. Sicher: Die Propagandamaschinerie des Nordens hat daran ihren Anteil. Aber knapp vier Millionen Tote auf beiden Seiten prägen das kollektive Gedächtnis in einem ganz anderen Maße, als das der Deutschen in Ost und West während des Kalten Krieges, der auf der koreanischen Halbinsel über Jahre ein heißer war. Das Massaker von Nogeun-ri, bei dem Hunderte koreanischer Flüchtlinge durch US-Flugzeuge ermordet wurden, ist keine Erfindung.

Millionen fehlen noch

Auf der anderen Seite sind die Gesten der nordkoreanischen Seite – Vereinbarungen zur Wiedereröffnung der Wirtschaftssonderzone Kaesong und Familienzusammenführungen - ganz profanen Sachzwängen geschuldet: Die Deviseneinnahmen werden durch die Schließung von Kaesong geschmälert. Von den zugesicherten Auslandshilfen in Höhe von 150 Millionen Dollar ist erst knapp ein Drittel eingegangen. Fließen die Gelder nicht, sind der UNO zufolge die mit internationalen Mitteln bei der Bekämpfung von Hunger und Krankheiten erzielten Fortschritte gefährdet. Da macht sich die atomare Keule in der Hand von Baby-Kim nicht gut.

Dass auch Park Geun-hye, die neue, stramm konservative Präsidentin Südkoreas, Tochter des früheren Diktators Park Chung-hee, auf die nunmehr sanften Töne aus dem Norden, eingeht, gibt Anlass zu Hoffnung. Eine Garantie, dass Nordkorea in den alten Trott zurückfällt und der Süden entsprechend reagiert, gibt es allerdings nicht.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 das politische Geschehen für n-tv. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Manfred Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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