Zwischenruf Piratenpartei: Entern oder Ändern?
19.10.2011, 14:49 Uhr
Gut vernetzt, aber nicht besonders schnell: die Piraten.
(Foto: picture alliance / dpa)
Das Nebulöse der Piraten wirkt anziehend auf viele Wähler, sie segeln von Umfragehoch zu Umfragehoch. Doch auf die zentralen Fragen der Gegenwart haben die Piraten keine Antwort. Wenn die Partei überleben will, sollte sich dies bald ändern.
Die Piratenpartei befindet sich nach ihrem Erfolg bei den Wahlen zum Berliner Abgeordnetenhaus auf einem schier unaufhaltsamen Höhenflug. Auch wenn derzeit wieder Weichen in Richtung Große Koalition gestellt werden: Mit einem erstmals zweistelligen Umfrageergebnis könnte die apfelsinenfarbige Truppe theoretisch schon heute mit Sozialdemokraten und Grünen ein Regierungsbündnis eingehen und im Bund mitmischen. Die unscharfen politischen Konturen von Orange wären Rot-Grün allemal lieber als die Linke, die sich anschickt, statt Selbstfindung wieder Politik zu betreiben.
Wofür stehen die Piraten? Wenn man den Auftritt ihres Spitzentrios nach dem hauptstädtischen Urnengang nimmt, haben sie zu den wichtigsten Problemen der Gegenwart - Finanzkrise, Krieg in Afghanistan, soziale Fragen - noch keine Position. Der Hinweis auf das zarte Alter, in dem man noch nicht alles wissen könne, überzeugt nicht. Die Partei besteht schon seit 2006.
Doch es scheint gerade das Nebulöse zu sein, das anziehend wirkt. Für den Moment. Aber auf Dauer? Hatte die Piratparti Schwedens, die erste ihrer Art, bei den Europawahlen mit extrem niedriger Wahlbeteiligung den Sprung ins Parlament geschafft, so blieb sie 2010 bei den Reichstagswahlen mit traditionell hoher Wahlbeteiligung vor den Toren des Prachtbaus auf der Stockholmer Heiligengeist-Insel. Für die Probleme der Menschen kann man keine Apps entwickeln, wie es ein frischgebackenes Piratenmitglied des Berliner Abgeordnetenhauses meint. Das Internet kann keine Probleme lösen, es kann allenfalls dazu dienen die Kommunikation zu verbessern, damit Probleme schneller gelöst werden können.
Gerade durch Schnelligkeit glänzt die allseits vernetzte Partei nun gerade nicht, wenn sie es in fünf Jahren - siehe oben - nicht schafft, sich Positionen zu Grundfragen zu erarbeiten. Um vom Entern zum Ändern zu gelangen, müssen noch viel Terabytes bei die Fische. Sonst ergeht es den deutschen Piraten wie ihre schwedischen Freibeuterkollegen.

Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.
Quelle: ntv.de