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Zwischenruf Putin: Der schwächelnde Superman

Russische Geschichte für einen Touristen-Schnappschuss: Putin-Pappkamerad zwischen einem Zar-Nikolaus-Darsteller und einer Stalin-Fahne in Moskau.

Russische Geschichte für einen Touristen-Schnappschuss: Putin-Pappkamerad zwischen einem Zar-Nikolaus-Darsteller und einer Stalin-Fahne in Moskau.

(Foto: AP)

Russlands Präsident Putin nimmt die Opposition an die Kandare. Das jetzt in erster Lesung verabschiedete Gesetz über die NGOs ist Teil eines Aktionsplans zu Sicherung der inneren Stabilität. De facto zeugt es von Putins Schwäche.

Die Zustimmung der Staatsduma zum Gesetzentwurf über die Tätigkeit auslandsfinanzierter Nichtregierungsorganisationen zementiert das Putinsche System der "gelenkten Demokratie".

Vorangegangen waren die Neuregelung des Demonstrationsrechts, die Verschärfung der Internetzensur, ein neues Parteiengesetz und das Verbot homosexueller Demonstrationen in Gegenwart Minderjähriger. Die Gesetze sind gewissermaßen Korsettstäbe, mit deren Hilfe Präsident Wladimir Putin die innenpolitische Stabilität in seinem Sinne festigen will.

Aufgeschreckt durch die Großdemonstrationen in mehreren Städten nach seiner Wiederwahl, verfügt Putin nunmehr über Instrumentarien gegen möglichen Massenprotest in der Provinz. Die Proteste von Moskau und Sankt Petersburg waren im Wesentlichen Ausdruck der Unzufriedenheit der neuen, saturierten urbanen Mittelschicht und kaum systemgefährdend. Brenzlig wird es erst, wenn die Massen auch in der Provinz auf die Straße gehen. Die Volksgesundheit schreit zum Himmel, die Schere zwischen Arm und Reich erinnert an schwarzafrikanische Verhältnisse. Die Liste ließe sich fortsetzen. Nun sollen auch noch die Energiepreise steigen.

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Bemerkenswert ist, dass die neuen Gesetze auch die Zustimmung der mächtigen russisch-orthodoxen Kirche finden. Die Kirche fürchtet wie der Kreml die "Verwestlichung" insbesondere der heranwachsenden Generationen wie der Teufel das Weihwasser. Ausdruck der Allianz zwischen den herrschenden Eliten mit ihrer opportunistische Religiosität und dem Moskauer Patriarchat ist auch die Inhaftierung der aus drei jungen Frauen bestehenden Punkband Pussy Riot, die in der Christ-Erlöser-Kathedrale dröhnend gegen Putin protestiert hatte. Nun würde sicher auch die Kölner Polizei nicht den Rhythmus eines Schmähliedes gegen Bundespräsident oder -kanzlerin im Dom mitklatschen. Aber sieben Jahre Haft, die für das Vergehen möglich sind, gäbe es für die Interpreten sicher nicht.

Zweifellos wird die Tätigkeit der Nichtregierungsorganisationen in Russland durch das in erster Lesung verabschiedete Gesetz nicht erleichtert. Unbestritten aber ist, dass NGOs, die unter anderem vom US-Multimilliardär George Soros bezahlt wurden, einen nicht unerheblichen Anteil an den verschiedenfarbigen Umstürzen und Umsturzversuchen in Ost- und Südosteuropa hatten. Im Unterschied beispielsweise zur Ukraine haben die russischen Organisationen aber kaum Verbindungen in die Provinz. Putin zeigt also Angst und Schwäche, wenn er die NGOs zwingen will, sich als "Vertreter einer ausländischen Macht" registrieren zu lassen. Das Vorgehen erinnert in fataler Weise an die USA der McCarthy-Ära, als sich die Kommunistische Partei dazu bekennen sollte, "Agent einer ausländischen Macht" zu sein.

Parallel zur Festigung der Macht im Inneren arbeitet der Kreml daran, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit als Gegengewicht zur Nato auszubauen. Moskau bietet jetzt auch der Ukraine militärische Zusammenarbeit an. Mit Belarus war die Kooperation nach dem Ende der UdSSR nie abgebrochen worden. Geht die Ukraine auf das Angebot ein, entsteht ein weiterer militärischer Gegenpol zum Westen. Ironie der Geschichte: 1991 waren es die damaligen Präsidenten der Russischen Föderation, der Ukraine und Belarus‘, die mit der Gründung der Slawischen Union der Sowjetunion den Todesstoß versetzt hatten. Die Ukraine soll auch der von Russland, Belarus und Kasachstan gebildeten Zollunion beitreten. Putin nannte den Zerfall der Sowjetunion einmal "das größte Unglück des 20. Jahrhunderts". Nun arbeitet er mit fragwürdigen Mitteln an deren Wiedergang.

Quelle: ntv.de

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