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Klare Kante Kanzler? Steinbrück ist der Richtige

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Na endlich. Die Troika ist Geschichte. Die SPD beendet die monatelange Hängepartie. Peer Steinbrück soll die Genossen bei der Bundestagswahl 2013 zurück auf die Regierungsbänke führen. Für die Partei ist Steinbrück ein großes Wagnis, für Kanzlerin Merkel der gefährlichste Gegner überhaupt.

Was haben Helmut Schmidt, Daniel Friedrich Sturm, Eckart Lohse und Daniel Goffart gemeinsam? Eine Vorahnung. Die Krönung Peer Steinbrücks als Kanzlerkandidat der SPD. Sie geschieht schleichend und zwischen schweren Buchdeckeln. Vier Bücher beschäftigen sich mit dem Mann, der Kanzler werden will, drei davon erscheinen in den letzten zwei Monaten. Ihre unverblümte Botschaft : Er kann's. Die fleißigen Schreiber liegen am Ende richtig.

Steinbrück führt die SPD als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf 2013. Nach langem Hängen und Würgen legen sich die Genossen fest und ziehen ihre Kandidatenkür vor. Sie kapitulieren damit auch vor dem innerparteilichen Druck und bereiten der monatelangen Selbstbeschäftigung ein Ende. Doch die Kandidatur überrascht nicht. Am Ende entscheidet nicht die Frage "wer will?", sondern eher "wer bleibt überhaupt noch übrig?".

Sigmar Gabriel hatte seinen Rückzug aus dem Kandidatenpoker schon vor Wochen erklärt. Zu mager die Popularitätswerte des Parteichefs, zu gering sogar die Unterstützung in der eigenen Partei. Und Steinmeier? Lange galt er als Favorit und doch ist die Angst vor einer erneuten Blamage zu groß. 2009 holte der heutige Fraktionschef mit mageren 23 Prozent das schlechteste SPD-Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik. Steinmeiers Rückzug ist am Ende Steinbrücks Berufung. Von diesem 28. September an können die Genossen diesem Wahlsonntag im Herbst 2013 wieder viel unverkrampfter entgegen schauen. Die Sozialdemokratie hat wieder ein klar konturiertes Gesicht und nicht drei, die sich gleichzeitig aufs Foto quetschen.

Der richtige Mann in der falschen Partei

Steinbrück ist zwar am Ende ein Kandidat mangels Alternativen. Aber viel wichtiger ist: Er ist der richtige Mann, um Angela Merkel herauszufordern. Er wird die Kanzlerin wesentlich stärker unter Druck setzen, als Steinmeier es 2009 tat oder 2013 getan hätte. Er polarisiert. Jeder hat eine Meinung zu Steinbrück. Man mag ihn oder man mag ihn nicht. Aber jeder weiß, wofür er steht. Seine Kernkompetenz sind die Finanzen. Das Ressort, das derzeit die drängendsten Herausforderungen tangiert, denen sich Politik stellen muss. Mit Steinbrück hat der Banken-Wahlkampf nun ein glaubwürdiges Gesicht bekommen.

Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein, NRW-Ministerpräsident, Bundesfinanzminister - was kommt als Nächstes?

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(Foto: picture alliance / dpa)

Anfang dieser Woche präsentierte der zu diesem Zeitpunkt noch Ungekrönte sein Bankenpapier. Er fordert klare Regeln, Leitplanken, mit denen er die Finanzmärkte bändigen will. Er will die Banken nicht zerschlagen, sondern verhindern, dass sie Gesellschaften durch ihre Fehlspekulationen länger vor die Zerreißprobe stellen. Steinbrück ist der personifizierte Sachverstand. Analysiert intellektuell messerscharf. Euro-Krise, Griechenland, Staatsverschuldung, Inflation – sicheres Metier für den studierten Volkswirt. Merkel, die Physikerin, könnte ein derartiges Konzept zwar vorstellen, aber in Detailfragen käme sie schnell in Bedrängnis. Ein so klar konturiertes Bewerbungsschreiben wie Steinbrück hat sie nie vorgelegt. Er ist zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Aber bei ihr liegt die große Vision selbst nach sieben Jahren Kanzlerschaft im Dunkeln.

Nicht nur wegen seiner Wirtschaftskompetenz ist Steinbrück ein härterer Gegner für die CDU als Steinmeier oder Gabriel. Auch strategisch bringt der Norddeutsche die Konservativen in die Bredouille. Steinbrück, der nicht gerade als Linker gilt, wird kräftig im Becken der bürgerlichen Wähler fischen. Hier genießt er große Sympathien. Das Etikett "richtiger Mann in der falschen Partei" wird den Genossen viele zusätzliche Stimmen bescheren. Denn Steinbrücks Anziehungskraft, aber auch das Potenzial enttäuschter CDU- und FDP-Wähler ist groß. Die derzeit 30 Prozent, die Umfragen der SPD derzeit prophezeien, reichen nicht zum Regieren. Es sind also genau die Stimmen aus dem mittleren Wählerspektrum, die im kommenden Jahr existenziell sein werden. Für Merkel und für Steinbrück. Schmidt hielten sie in den 70ern im Kanzleramt, Gerhard Schröder brachten sie 1998 an die Macht.

Der Polarisierer

Steinbrück hat noch einen anderen Vorteil: Merkel scheut die Positionierung. Im Vergleich zu vielen ihrer Vorgänger redet sie nicht mehr als nötig, im Zweifel sagt sie lieber gar nichts. Vor allem seit 2009 weigert sich die Kanzlerin, ihre Politik zu erklären. Viele Menschen vermissen mehr Haltung, mehr Transparenz, mehr Begründung. Diese Instinkte befriedigt Steinbrück. Er steht für klare Kante, hält sich mit seiner Meinung nicht zurück. Das kommt an. "Mr. Klartext" wird Merkel im Wahlkampf deshalb auch schärfer attackieren als Steinmeier, der 2009 so blass blieb, auch weil er das Problem hatte, dass er bis zur Wahl als Vizekanzler eng mit Merkel zusammenarbeitete.

Gabriel und Steinmeier ziehen sich zurück, Steinbrück bleibt übrig.

Gabriel und Steinmeier ziehen sich zurück, Steinbrück bleibt übrig.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wenn in den vergangenen Monaten über den Kanzlerkandidaten Steinbrück spekuliert wurde, begleitet ein Einwand die Debatte besonders hartnäckig. Der Hamburger hat nicht nur Freunde in der SPD. Vor allem mit den Parteilinken legt er sich gerne an. Auch persönliche Angriffe scheut er dabei nicht. Aber wie problematisch ist es, wenn das Verhältnis des Kandidaten zu Teilen der Partei von Anfang an so angespannt ist? Wie soll das erst werden, wenn es die ersten Konflikte im Regierungsalltag gibt? Die Parteilinken müssen lernen, mit dem Kandidaten zu leben. Am Ende ist er das geringere Übel. Lieber Rot-Grün mit diesem Kanzler als erneut Juniorpartner in einer Großen Koalition, die Steinbrück ja kategorisch ausgeschlossen hat.

Trotzdem muss Steinbrück ein Stück weit auf seine Gegner zugehen. Der Sprung vom einfachen Bundestagsabgeordneten ist ein gewaltiger. Steinbrück braucht jetzt die ganze Partei. Er muss mehr Rücksicht nehmen als bisher. Sonst droht ihm die frühe Isolation. Der mangelnde Rückhalt in den eigenen Reihen kostete bereits Schmidt und Schröder die Kanzlerschaft. Und ihr Kredit war am Anfang größer als der von Steinbrück.

Der Mann hat noch eine andere Schwäche. Wie so oft in der Causa Steinbrück ist es ein Fingerzeig von Altkanzler Schmidt. Nein, es sei nicht die Arroganz, entgegnet der. Die sei ihm ja selbst nicht ganz fremd. Steinbrücks größte Schwäche sei rhetorischer Art: sein Sprachtempo. "Er denkt schnell und redet fast genauso schnell", sagt Schmidt im Gespräch mit den zwei Steinbrück-Biografen Eckard Lohse und Markus Wehner. Das schnelle Reden nehme seiner Rede Gewicht, er müsse noch langsamer werden. Der Kandidat hat jetzt zwölf Monate Zeit, daran zu arbeiten.

Quelle: ntv.de

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