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Volker Jacobs kommentiert Stiller Abschied von Leipzig

Von Volker Jacobs

Der Leipziger Parteitag der CDU fand 2003 statt. Und doch scheint es, als läge er schon ein Jahrzehnt zurück. Zum Auftakt der Diskussion über das künftige Parteiprogramm ist nichts mehr zu spüren von dem liberalen, radikalreformerischen Elan, mit dem damals ein grundlegender Umbau von Gesundheitssystem und Einkommensteuer in Aussicht gestellt wurde. Das Motto der Parteivorsitzenden und Bundeskanzlerin Angela Merkel, "Teilhabe für alle", wendet den Blick der CDU wieder zum Sozialen. Der führende Kopf unter den Konservativen in der Partei, der hessische Ministerpräsident Roland Koch, schließt sich an, wenn er mit dem neuen Programm das Ziel verbindet, alle Strömungen der Union zusammenzuführen.

Die Veränderung ist die Konsequenz aus zwei Erfahrungen der CDU. Die eine ist die Erfahrung der fast verlorenen Bundestagswahl. Die andere ist die Erfahrung Angela Merkel. Fast verloren hat die Union die Wahl, weil sie mit ihren Reformvorstellungen viele Bürger erschreckt hat. Diese wissen, dass Reformen notwendig sind, wollen aber, dass es möglichst so bleibt, wie es ist. Zudem hat sich in der großen Koalition gezeigt, wie eng der Spielraum für die Realisierung der eigenen Vorstellungen ist. Da sollte die Kluft zwischen Ideen und Realität nicht zu groß werden. Und vom Rückzug des Staates, ist - siehe Klimaschutz, siehe Mindestlöhne, siehe Kinderbetreuung - keine Rede mehr.

Die zweite Erfahrung heißt Angela Merkel. Wer immer unter den Baronen der CDU gehofft hat, alsbald ihr Erbe anzutreten, wird sich noch länger gedulden müssen. Gegen die Kanzlerin aufzumucken, brächte ihn in politische Lebensgefahr. Roland Koch, der seine absolute Mehrheit bei der kommenden Landtagswahl verlieren könnte, hat zum einen seine Lehre aus der Bundestagswahl gezogen. Zum anderen kann es ihm nicht schaden, wenn vom Glanz der Kanzlerin etwas auch auf sein Haupt fällt.

Spötter mögen sagen, die CDU habe sich hinreichend sozialdemokratisiert. Das stimmt sogar. Aber eine Politik, die von den Wählern nicht verstanden wird, hat bei den Wählern auch keine Chance. In der von Merkel beschworenen "Chancengesellschaft" will auch die CDU ihre Chancen haben. Wenn die Umfragen nicht rügen, stehen sie derzeit auch nicht schlecht.

Quelle: ntv.de

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