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Zwischenruf Weniger Netto vom Brutto

Wahlversprechungen waren einmal. Jetzt kommt Röslers Gesundheitsreform.

Wahlversprechungen waren einmal. Jetzt kommt Röslers Gesundheitsreform.

(Foto: dpa)

Besonders die FDP-Wähler warten noch immer auf die versprochenen Steuersenkungen. Da können sie lange warten. Die Beiträge werden eher steigen - durch die Gesundheitsreform.

Auch wenn der Reallohn nur deshalb so beeindruckend gestiegen ist, weil im Vergleichszeitraum des Vorjahres viel kurzgearbeitet wurde und weniger Geld in die Tüte kam: Der 22. September 2010 dürfte der letzte Tag mit einer solchen Positivmeldung gewesen sein – wenn es nach dem Willen von FDP und CDU geht. Der Grund: Die als Gesundheitsreform verkaufte Erhöhung der Beiträge der Arbeitnehmer.

Die Arbeitgeber müssen zunächst auch etwas drauflegen. Ihr Beitrag wird dann aber bei etwa der Hälfte des Arbeitnehmeranteils eingefroren. Gehen die Kosten weiter nach oben, zahlt allein der Versicherte. Der freidemokratische Slogan "Mehr Netto vom Brutto" wird endgültig zur Farce. Wie das Versprechen, die Steuern zu senken. Zusatzkosten, die zwei Prozent des Einkommens überschreiten, sollen durch Geld aus dem Steuersäckel beglichen werden. Dies dürfte mittelfristig sogar zu einer Steuererhöhung führen.

Todesstoß unter Schröder

Wenn die SPD jetzt das Ende der paritätischen Finanzierung beklagt, täte die Partei gut daran, sich an die eigene Nase zu fassen. Schließlich wurde dem Gesundheitssystem schon zu Regierungszeiten von Bundeskanzler Gerhard Schröder der Todesstoß versetzt. Die Ironie der Geschichte wollte es, dass die SPD damit hinter Reichskanzler Otto von Bismarck zurückging, der dieses System als Instrument im Kampf gegen "die gemeingefährlichen Bestrebungen der Sozialdemokratie" begriff.

Das Argument, stabile Beiträge der Arbeitgeber würde Arbeitsplätze sichern, ist fragwürdig. Niedrige Lohnstückkosten mögen verhindert haben, dass Unternehmen massenweise in Billiglohnländer abwandern. Zugleich aber ist der Anteil der Leih- und Zeitarbeit in den vergangenen Jahren dramatisch angestiegen. Der Hinweis auf steigende Kosten durch den Einsatz modernster Medikamente ist richtig. Im Prinzip. Denn zu einer tatsächlichen Deckelung der Preise kommt es auch nach der Übereinkunft von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler mit der Pharmaindustrie nicht, zumal offen ist, inwieweit Lobbyisten beim jetzigen Gesetzentwurf ihre Feder mit im Spiel hatten.

Nachbesserungen vorprogrammiert

Ob das Gesetz so durchkommt, ist fraglich. Die außer- wie innerkoalitionäre Opposition aus SPD, Linken, Grünen sowie CDU wetzen schon das Skalpell. Auch aus den Ländern ist Gegenwind zu erwarten. Drum auch der Versuch, das Röslersche Papier als "nicht zustimmungspflichtig" am Bundesrat vorbeizuschleusen. Wäre die Gesundheitsreform tatsächlich, wie der Minister sagt, ohne Alternative, wäre der Konsens breiter. Dieser "Reform" wird es so ergehen wie der von Ulla Schmidt: Über kurz oder lang muss nachgebessert werden, sagte damals übrigens die FDP.

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Manfred Bleskin kommentiert seit 1993 für n-tv das politische Geschehen. Er war zudem Gastgeber und Moderator verschiedener Sendungen. Seit 2008 ist Bleskin Redaktionsmitglied in unserem Hauptstadtstudio in Berlin.

Quelle: ntv.de

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