Politik

Merkel gegen Steinmeier Duett der Duellanten

Oft auf einer Linie: Merkel und Steinmeier versuchen sich im TV-Duell.

Oft auf einer Linie: Merkel und Steinmeier versuchen sich im TV-Duell.

(Foto: REUTERS)

Das TV-Duell zwischen Kanzlerin und Außenminister gerät in weiten Teilen zu einer besseren Regierungserklärung: Weder Merkel noch Steinmeier mögen richtig streiten - nein, sie argumentieren auch noch gleich. Wenn Steinmeier es doch einmal mit kleinen Attacken versucht, lassen ihn die Kanzlerin oder die Moderatoren ins Leere laufen. Dabei bestehen in der Sache durchaus Unterschiede, doch sie gehen im Sendungskorsett unter, und zwei der wichtigsten Themen landen gar nicht auf dem Tisch.

Nach über einer Stunde bricht zum ersten Mal so etwas wie Streit aus in Adlershof: "Einen Moment", unterbricht Frank-Walter Steinmeier Moderator Frank Plasberg, der gerade weg von den Steuern hin zur Gesundheitspolitik will. "Wachstum ist ja schön und gut", fährt der SPD-Kanzlerkandidat dazwischen und schaltet auf Angriff um. Die Union verspreche Steuersenkungen von 20 bis 30 Milliarden Euro, die FDP sogar 80 bis 90 Milliarden Euro. Dann lande Schwarz-Gelb vielleicht bei 50 Milliarden. "Dafür brauchen sie pro Jahr ein Wachstum von neun Prozent. So ein Wachstum hatten wir in der gesamten Geschichte der Bundesrepublik nicht. Das ist nicht finanzierbar."

"Da sage ich aber ein ausdrückliches Ja", ergreift Angela Merkel das Wort. Das will sie nicht auf sich sitzen lassen. Die Zahlen entsprächen nicht der Wahrheit: "Wir wollen 15 Milliarden Euro Steuersenkungen für die ganze Legislaturperiode, und das ist machbar", betont die Bundeskanzlerin. Für dieses Ziel reichten auch fünf Prozent Wachstum, das sei zu schaffen.

Bilanzpressekonferenz

Es ist Sonntag, der 13. September 2009, und die beiden Spitzenkandidaten von Union und SPD treffen sich zum großen TV-Duell vor der Bundestagswahl. Anderthalb Stunden stellen sich Merkel und Steinmeier im Studio in Berlin-Adlershof den Fragen der vier Moderatoren der großen öffentlichen und privaten Fernsehanstalten. Dort, wo Merkel schon 2005 auf den damaligen Kanzler Gerhard Schröder traf, soll sie heute mit Steinmeier beweisen, dass die Kanzlerin und ihr Vize auch richtig streiten können. Dem Wahlkampf zu Liebe, den Wählern, oder zumindest den Moderatoren und Einschaltquoten doch bitte.

Über weite Strecken kommt es aber, wie es kommen musste und wie es – spätestens nach dem Duell – auch wirklich alle befürchtet haben: Die Große Koalition verteidigt sich gemeinsam. Frank Plasberg, Peter Limbourg, Maybrit Illner und Peter Kloeppel gehen ihre Fragen durch, suchen nach Fehlern, doch Merkel und Steinmeier verteidigen sich und springen – wie bei Opel – zur Not auch dem Konkurrenten bei. Es wirkt wie die Bilanzpressekonferenz der Bundesregierung, ein bisschen ist es das ja auch.

Verzweiflung macht sich breit

Als ob sie beweisen wollten, wie ähnlich sie sich sind, argumentieren Steinmeier und Merkel auch noch gleich. Beide betonen wiederholt, was die Regierung für eine gute Arbeit gemacht hat, um dann zu sagen, dass es noch besser geht. "Wir sind unter unseren Möglichkeiten geblieben", nennt Steinmeier das. "Wir haben gute Arbeit geleistet, aber es geht noch besser", heißt es bei Merkel. Die größte Überraschung der ersten Stunde ist denn wohl die Information, dass sich die beiden auch nach vier Jahren am gemeinsamen Kabinettstisch noch nicht duzen.

In ihrer Verzweiflung machen die Moderatoren schließlich den fehlenden Streit zum Thema. Es sei doch mehr "ein Duett als ein Duell", wirft Illner der Kanzlerin vor. "Das überlassen wir mal den Zuschauern", gibt die Kanzlerin zurück. Erstmal solle man "in media res gehen", da werde sich schon zeigen, wo die Unterschiede lägen. "Und was tun wir, wenn die Zuschauer sagen, die beiden sollen zusammen weitermachen?", hakt Illner nach. "Das fragen Sie mich mal am kurz vor Ende wieder", sagt Merkel, was – vorweggenommen – Illner leider verpasst.

Sozialdemokratische Merkel

Wenig Angriffsfläche bot die Kanzlerin, die Schwarz-Gelb anstrebt.

Wenig Angriffsfläche bot die Kanzlerin, die Schwarz-Gelb anstrebt.

(Foto: dpa)

Trotzdem ist es interessant zu beobachten, wie Merkel sich verhält. Während Steinmeier versucht, mit zunehmender Zeit durch zunehmende, aber meist harmlose Seitenhiebe, aus der Regierungserklärung doch noch ein Duell zu machen, präsentiert sich die Kanzlerin sozialdemokratischer denn je. Schon Anfang des Jahrhunderts, nein des Jahrtausends, habe sie über die neue soziale Marktwirtschaft nachgedacht, sagt Merkel angesprochen auf die Wirtschaftskrise. Der Staat als Hüter dieser Ordnung sei vernachlässigt. "Wir brauchen den internationalen Export der sozialen Marktwirtschaft." Dann kommt die Kanzlerin auch noch mit Mindestlohn, den sie branchenabhängig einführen will, und der bei ihr "gerechter Grundlohn" heißt. Wieder eine Angriffsfläche weniger für Steinmeier, der aber immerhin als großen Unterschied einen "Neustart für die soziale Marktwirtschaft" will. Das will Merkel dann mal nicht.

So reiht sich Frage an Frage, Thema an Thema – nach Krise und Mindestlohn sind die Manager und ihre Boni dran, ein bisschen Hartz IV, Opel, Atomkraft und die Finanzaufsicht. Merkel bleibt präsidial, will von allem ein bisschen, vor allem "Wachstum schafft Arbeit" und selbst die Atomkraft ist eigentlich nur dazu da, um erneuerbare Energien zu ermöglichen. Steinmeier versucht es mit kleinen Angriffen, vor allem auf Schwarz-Gelb, betont, er brauche nur die Mehrheiten um es besser zu machen und hält sich für die bessere Alternative als Kanzler.

Genau das will der SPD-Kanzlerkandidat verhindern - seine Angriffe verfingen aber kaum.

Genau das will der SPD-Kanzlerkandidat verhindern - seine Angriffe verfingen aber kaum.

(Foto: dpa)

Auch im Diskussionsverhalten lassen die beiden, in schwarz gekleideten Duellanten nur geringe Unterschiede erkennen. Die Krümmung ihrer nach unten gezogenen Mundwinkel ist sich jedenfalls sehr ähnlich, die an der Sache orientierte Argumentation ist es auch. Die Kanzlerin wird etwas schneller pampig, wenn die Moderatoren ihr ins Wort fallen, schaut bei Antworten ihres Vizekanzlers ziemlich ungehalten aus und fällt anderen nicht ganz so oft ins Wort. Steinmeier schaut weniger direkt in die Kamera, noch weniger zu Merkel – auch wenn er sie angreift, wirkt insgesamt aber ein klein wenig aufgeräumter als die Kanzlerin, die sich ein paar Mal nach Unterbrechungen durch die Fragesteller sortieren muss.

Steinmeier attackiert ins Leere

Mit zunehmender Zeit wird deutlich: Steinmeier sucht das Duell, aber Merkel bleibt beim Duett. Sie setzt ein "wir haben es geschafft" gegen Steinmeiers "es reicht mir nicht". Wobei "wir" bei Merkel immer mehr CDU und CSU heißt als die ganze Koalition. Nachdem die Moderatoren leider nicht einmal die offensichtlich streitbare Steuerpolitik nach Steinmeiers Attacke aufgreifen, dürfen sie sich allerdings auch nicht über mangelnden Streit beschweren.

Der bleibt auch bei der Gesundheitspolitik und Afghanistan-Einsatz größtenteils aus, aber bei möglichen Regeln für die Finanzwirtschaft werden die Unterschiede doch einmal deutlich. Steinmeier ("unsere Waffen sind zu stumpf") will zur Not auch eine nationale Börsensteuer einführen, was Merkel ("Gefahr für die Arbeitsplätze") ablehnt. Merkel verrät noch, dass Wachstum Arbeit schaffe, Schwarz-Gelb ihr Lieblingsbündnis sei und Verteidigungsminister Franz Josef Jung ihr Vertrauen genieße - was nach der Wahl sei, wisse sie aber noch nicht. Die müsse sie erst einmal gewinnen. Und Steinmeier betont, dass Opposition wirklich Mist, die Linkspartei im Bund nicht koalitionsfähig, Schwarz-Gelb auf absteigendem Ast und die SPD noch immer eine Volkspartei sei.

Fazit

Das Fazit also: Das TV-Duell zur Bundestagswahl 2009 war, wie die Kandidaten es versprochen haben – sachlich, ohne große Streitereien, unaufgeregt und wenig aufregend. Merkel schlug sich etwas schlechter als erwartet, Steinmeier etwas besser. Dafür hielt die Kanzlerin das bessere Schlusswort. In der Sache sind trotz aller Gemeinsamkeiten ein paar Unterschiede deutlich geworden, die allerdings hinlänglich bekannt sind. Alles in allem standen sich hier zwei Duellanten gegenüber, die nach dem 27. September wieder ein gutes Duo abgeben würden.

Quelle: ntv.de

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