Pressestimmen

Stasi-Unterlagen-Gesetz geändert "Begründung ist nur noch fadenscheinig"

22 Jahre nach der Wende verlängert die Regierung die Frist für die Akteneinsicht der Stasi-Unterlagen und erweitert zudem den zu überprüfenden Personenkreis. Während die einen es begrüßen, dass es unter dem DDR-Unrecht keinen Schlussstrich gibt, stellen andere die Verhältnismäßigkeit des Gesetzes in Frage.

Stasi-Akten in der Jahn-Behörde.

Stasi-Akten in der Jahn-Behörde.

(Foto: picture alliance / dpa)

Laut der Frankfurter Allgemeine Zeitung sorge der Bundestag mit der Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes dafür, "dass der Eisberg der DDR-Hinterlassenschaft weiter abgetragen werden kann". Allerdings lasse sich damit nicht verhindern, dass sich neue bilden. "Das DDR-Unrecht bestand nicht nur aus der Stasi, und es wäre nicht im Sinne der Opfer dieses Unrechts, wenn die Stasi-Unterlagenbehörde den Eindruck vermittelte, es sei so. War es harmloser, in der NVA gewesen zu sein, zum Beispiel als Polit-Offizier? Funktionär in der SED? Denunziant?" Die Antwort auf diese Fragen gebe nicht das Stasi-Unterlagengesetz, "auch nicht die nun gesetzlich angeordnete Versetzung ehemaliger Stasi-Mitarbeiter aus der 'Jahn-Behörde'".

Die Versetzung von 47 Leuten bei gleicher Bezahlung in andere Ämter kommentiert auch die Neue Presse: Es sei zu bezweifeln, dass deren Kenntnisse an andere Stelle so nützlich sind wie in der Jahn-Behörde. "Und die Begründung, Opfern sei eine Begegnung mit ihren ehemaligen Peinigern nicht zumutbar, ist nach inzwischen 20 Jahren nur noch fadenscheinig."

Auch die Märkische Allgemeine stellt das neue Gesetz in Frage: "Kurz nach der Wende war es unstrittig, dass die Stasi-Unterlagen-Behörde auf die Kenntnisse ehemaliger MfS-Bediensteter angewiesen war bei der Erschließung der Aktenbestände. Das wurde als unvermeidlich hingenommen. Zwanzig Jahre später gilt es als unzumutbar, verabschieden Union und FDP im Bundestag ein Gesetz, das für ehemalige MfS-Mitarbeiter und Zuträger Rechtsregeln aushebelt, zum Beispiel Verjährungsfristen, die sonst für alle anderen gelten. Die Frage, ob der Gesetzgeber an dieser Stelle unverhältnismäßig handelt, ist mehr als berechtigt."

Die Änderung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes möge einigen "wie die Fortsetzung einer längst geschlagenen Schlacht vorkommen", schreibt die Leipziger Volkszeitung. Längst hänge die Gegenwart von anderen Fragen ab, zum Beispiel bezüglich des Euro, der Jobs oder der Rente. Doch der Ansatz der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit bleibe wichtig, unterstreicht das Blatt: "Einen Schlussstrich darf es nicht und wird es nicht geben."

Auch für die Mitteldeutsche Zeitung hat der Beschluss des Bundestags Hand und Fuß: "Der Beschäftigung von ehemaligen Stasi-Mitarbeitern in der Jahn-Behörde haftet in der Tat ein seltsamer Geschmack an, auch wenn sie sich über viele Jahre korrekt verhalten haben mögen." Es bleibe dennoch taktlos. So fragt das Blatt, warum das Thema nicht eher auf den Tisch kam. "Wenn die Betroffenen nun gehen müssen, fallen sie im Übrigen nicht etwa ins Ungewisse, sondern werden vom Bund in angemessener Weise weiterbeschäftigt. Damit sollten alle Seiten leben können. Das trifft auch auf den zweiten Streitfall zu, die Verlängerung und Ausweitung der Überprüfung von Beschäftigten im öffentlichen Dienst auf eine frühere Stasi-Tätigkeit."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger

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