Pressestimmen

"Zu viel Harmonie tut auch nicht gut" Berlin verkauft sich gut in Peking

China will den Euro-Krisenstaaten bei der Rettung helfen. Das macht die Führung in Peking aber nicht ganz uneigennützig, denn sollte die Eurozone zerfallen, würden Chinas Exporte den Bach runtergehen. Da China in dieser Frage vor Selbstbewusstsein strotzt, bleiben Fragen nach Menschenrechten eher selten beim Besuch der Kanzlerin in Peking. In der deutschen Presse ist für Sentimentalitäten aber kein Platz.

Vor dem chinesischen Regierungssitz in Peking.

Vor dem chinesischen Regierungssitz in Peking.

(Foto: dpa)

Der Münchner Merkur empfiehlt, auf den steten Tropfen zu bauen: "Die deutsch-chinesische Freundschaft verträgt sicher auch Kritik. Vorausgesetzt, sie betrifft nicht die inneren Angelegenheiten Chinas. Als solche aber wird in Peking nahezu alles eingestuft - auch die Menschenrechte. Das heißt nicht, dass deutsche Politiker zu diesem Punkt schweigen sollen. Im Gegenteil, aber sie müssen die Tonlage sehr sorgfältig wählen und auf den steten Tropfen bauen, der den Stein höhlt."

Das Hamburger Abendblatt meint: "Es ist immer wieder wichtig, die Situation der Menschenrechte im Reich der Mitte laut und deutlich anzusprechen. Nicht nur, um inhaftierten oder in Bedrängnis geratenen Dissidenten zu helfen, nicht nur, um Presse- und Meinungsfreiheit zu verwirklichen und die Arbeit ausländischer Korrespondenten zu erleichtern. Es geht auch um unsere eigenen wirtschaftlichen Interessen: Deutschland und allen anderen westlichen Partnern Pekings muss aufgrund der immensen ökonomischen Verflechtungen an der langfristigen Stabilität Chinas gelegen sein. Die aber ist auf Dauer nicht in einer Schimäre aus kommunistischer Ein-Parteien-Diktatur und Turbokapitalismus garantiert."

Auch die Frankfurter Rundschau merkt kritisch an: "Doch zu viel deutsch-chinesische Harmonie tut auch nicht gut. Der protokollarische Pomp der Regierungskonsultationen ist kein Ersatz dafür, bei Konfliktthemen klar Positionen zu beziehen. Dazu gehören Chinas Einschränkungen von Menschenrechten, Rechtsstaatlichkeit oder Meinungs- und Pressefreiheit."

Merkels Chinesisch ist noch in der Übphase.

Merkels Chinesisch ist noch in der Übphase.

(Foto: dpa)

Die Bild-Zeitung empfiehlt der Wirtschaftsdelegation, stolz, kaltschnäuzig und zielstrebig ihre Interessen zu verfolgen. "Ja, China investiert immer stärker in Deutschland. Aber ja, wir hängen immer mehr vom Markt in der Volksrepublik ab. Und es ist auch richtig, dass China für die Euro-Rettung extrem wichtig wird. Aber ist das ein Grund zum Fürchten? Nein! Nur weil sich ein jahrzehntelang etabliertes Wirtschafts- und Machtsystem gen Osten verschiebt, müssen wir uns nicht verstecken. Im Gegenteil: Wir sollten von China lernen - stolz, kaltschnäuzig und zielstrebig unsere Interessen verfolgen. Denn: Wir haben etwas zu bieten. Auch China braucht unseren Markt. China braucht unser Know-how. Und China braucht einen stabilen Euro. Deshalb kann Deutschland getrost selbstbewusst Außenpolitik in Fernost betreiben. Und das heißt: sich nicht verbiegen, gleichzeitig für Interessen UND Werte einstehen. Nur so verdienen wir uns in China Respekt!"

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung warnt vor zu viel Nähe und Schmeichelei: "Die Volksrepublik China pflegt mit den Vereinigten Staaten, der alten Supermacht, einen strategischen Dialog - eine qualvolle Angelegenheit, die mal eher von Kooperation, mal eher von Misstrauen und Rivalität bestimmt wird. Da machen die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen, (.) schon protokollarisch einen anderen Eindruck. Dieses Protokoll hat eine reale Grundlage - und es hat etwas Verführerisches. Die Wirtschaftsbeziehungen haben sich spektakulär entwickelt: China ist heute einer der engsten Wirtschaftspartner Deutschlands und an deutscher Technik interessiert. Die China-Politik Deutschlands ist weitgehend von wirtschaftlichen Interessen bestimmt. Seinerseits wird Deutschland von China als die europäische Führungsmacht schlechthin gesehen und behandelt. Das schmeichelt - und ist gefährlich."

Die Leipziger Volkszeitung warnt davor, dass der Exportboom Made in Germany schon bald Geschichte sein könnte: "Mit dem Euro in der Tasche will China mit seinem Fünfjahresplan in immer mehr Bereichen auch den deutschen Hightech-Bereich knacken. Anstehen, bitten und in der Krise betteln - das dürfte die Wirklichkeit der nächsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen sein. Hilfe ist aus China nie und nimmer ohne Gegenrechnung zu erwarten. Wieso auch? So funktioniert schließlich Marktwirtschaft. Und für die wirbt Merkel und Gefolge. Für Sentimentalitäten ist da kein Platz. Selbst wenn es zum Amtsverständnis deutscher Kanzler zu gehören scheint, dass man für China, anders als für die USA beispielsweise, geradezu schwärmerische Sympathie entwickelt."

Auch Der neue Tag bleibt skeptisch und mahnt: "Mensch und Natur stehen unter dem Diktat der Partei. Auch wenn die Kanzlerin wieder und pflichtschuldig Menschenrechte und Arbeitsbedingungen für Journalisten ansprach, 'Einmischung in innere Angelegenheiten' verbittet sich die KP-Führung. Sie setzt dieses Verdikt auch in der Außenpolitik um, bis hin zur strikten Weigerung, sich gegen Syriens Diktator Assad zu engagieren. Trotz aller guten Geschäfte: China bleibt ein unberechenbarer Partner."

Zusammengestellt von Peter Richter

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen