Pressestimmen

Wulff weiter in der Kritik "Bild eines provinziellen Abstaubers"

Gegen den Bundespräsidenten Christian Wulff tauchen immer neue Vorwürfe auf. Dabei handelt es nicht um schwerwiegende Fehler, die er begangen hat, aber eben auch nicht mehr um Kleinigkeiten. Und während ihm ein Teil der Presse keine zweite Amtszeit mehr bescheinigt, fordern andere Zeitungen, dass man zurück zu einer sachlich geführten Debatte kommen sollte, da die blitzlichtumflackerte Hatz auf Wulff einfach nur widerlich sei.

Die Kritik an Wulff reißt nicht ab.

Die Kritik an Wulff reißt nicht ab.

(Foto: dpa)

"Christian Wulff hat die schmale Linie zwischen legal und zweifelhaft mehrfach knapp überschritten", schreibt der Kölner Stadt-Anzeiger. Das seien zwar keine Kapitalverbrechen, aber eben auch keine Kleinigkeiten. Nach Meinung des Blattes aus Nordrhein-Westfalen hafte der gesamten Affäre "etwas Billiges" an: Man habe von Wulff "das Bild eines provinziellen Abstaubers". Damit habe er sein Amt geschädigt. "Er ist Deutschland bisher kein schlechtes Staatsoberhaupt gewesen und kann weiter ein ordentliches sein - jedenfalls dann, wenn nicht weitere Peinlichkeiten oder gar Verfehlungen auftauchen. Für einen großen Präsidenten, den das Land gerade in der anwachsenden Bedrängnis dringend brauchte, wird es kaum mehr reichen."

Auch die Rhein-Neckar-Zeitung sieht keine schwerwiegenden Fehler vorliegen, wenn sie schreibt, dass die Affäre nicht dazu ausreichen werde, um den Bundespräsidenten zum Rücktritt zu zwingen. "Wulff hat sich zwar - anders als in seinen eigenen Reden gefordert - alles andere als vorbildlich verhalten. Doch die Vorwürfe müssten schwerer wiegen, damit Merkel ihren Bundespräsidenten opfert." Das Blatt aus Heidelberg bezeichnet die beiden Politiker als eine "Schicksalsgemeinschaft (…) auf Zeit". Aber schon allein das sei äußerst seltsam: "Normalerweise überleben Bundespräsidenten die Bundeskanzler im Amt. Ist es umgekehrt, dann stimmt etwas nicht im politischen Gefüge."

Das Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung hält einen "Bundespräsidenten auf Bewährung" nicht gerade für "die Idealbesetzung dieses Amtes, aber für die Führungsriegen der Parteien, von den Linken einmal abgesehen, ist ein beschädigter Präsident allemal besser als ein zurückgetretener". So kommentiert auch das Blatt Merkels Unterstützung für Wulff: "Dessen abruptes Ende (könnte) auch das Aus für ihre Koalition bedeuten." Und die anderen? "SPD und Grüne agieren handzahm, um im durchaus verunsicherten Regierungslager keinen Solidarisierungseffekt auszulösen. Und der Ausgang einer Präsidentenneuwahl wäre für Regierung wie Opposition gleichermaßen ein Abenteuer mit ungewissem Ausgang, vom Imageverlust der gesamten politischen Klasse ganz abgesehen."

"Schluss mit einer moralintriefenden Debatte und zurück zur Sachdiskussion" fordert die Hessische/Niedersächsische Allgemeine. Auf sie wirke die Diskussion "überzogen, weil sie unrealistisch und verlogen geführt wurde". So fragt das Blatt kritisch: "Wie viele Politikerbücher (und auch die von Journalisten) sind in den vergangenen Jahrzehnten zum Erfolg geworden, weil Konzerne und Bankenorganisationen ganze Auflagen aufkauften? Wie häufig werden Politiker (und auch Journalisten) bei Krediten besondere Konditionen bekommen haben, bewusst wegen ihrer Funktion und nicht wegen Verhandlungsgeschicks?"

Auch die Nürnberger Zeitung kritisiert den derzeitigen Umgang mit Wulff und die Art der Debatte: Der ständig wiederholte Hinweis auf höhere moralische Ansprüche, die ein Bundespräsident erfüllen muss, wirkt "heuchlerisch aus dem Munde jener, die ihrerseits nicht die geringsten Anstalten machen, diesem Amt gegenüber auch nur ein Minimum an Respekt zu zollen. So legitim die Forderung nach Aufklärung aller Vorwürfe bei gleichzeitiger Unschuldsvermutung ist, so widerlich wirkt die blitzlichtumflackerte Hatz, die das Staatsoberhaupt derzeit bei jedem öffentlichen Auftritt bis in den Schminkraum hinein verfolgt."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger

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