Pressestimmen

Wahlkrimi in Thüringen "Bühnenreife Tragikkomödie"

In Thüringen ist die neue Koalition aus CDU und SPD mit einem Ausrutscher in die Regierungszeit gestartet: die gemeinsame Kandidatin Christine Lieberknecht erhielt bei der Ministerpräsidentenwahl erst im dritten Wahlgang - zu dem der Fraktionschef der Linkspartei, Bodo Ramelow, überraschend als Gegenkandidat angetreten war - die erforderliche Mehrheit des Erfurter Landtages.

Die 51-jährige Christine Lieberknecht - hier mit ihrem Ehemann Martin -ist Nachfolgerin von Dieter Althaus.

Die 51-jährige Christine Lieberknecht - hier mit ihrem Ehemann Martin -ist Nachfolgerin von Dieter Althaus.

(Foto: dpa)

Für die Stuttgarter Nachrichten passt der Ausgang der Wahl "wie die Faust aufs Auge". Dass Christine Lieberknecht erst im dritten Anlauf zur Ministerpräsidentin von Thüringen gewählt wurde, sei "der dramaturgische Höhepunkt einer bühnenreifen Tragikkomödie, die die Landespolitik seit der Wahl zornesrot und tränenreich in ihren Bann gezogen" habe, ist hier zu lesen. Und dass ausgerechnet Links-Chef Bodo Ramelow mit seiner Kandidatur im entscheidenden Wahlgang das neue Bündnis zusammenschweiße, gehöre "zu den politischen Arabesken dieses Tages".

In Anbetracht der Gegenkandidatur Ramelows kann sich auch die Frankfurter Rundschau einen Seitenhieb nicht verkneifen: "Wenn eine demokratische Weihestunde in Peinlichkeit zu versinken droht, dann naht Rettung in ungeahnter Gestalt: der Linken. Ob Oskar Lafontaine antritt, das Saarland zu versöhnen, oder ob nun Bodo Ramelow sich in Thüringen als Alternative anbietet, stets wirken die Links-Protagonisten als harmonisierende Kraft. Sie einen auf wunderbare Weise den Rest der Parteien. Und fast erscheint so ein bisschen Verrat wie eine Spielerei, die schnell abzulegen ist, sobald es um ernste politische Fragen geht".

"Ein Idealstart sieht jedenfalls anders aus", schreibt der General-Anzeiger aus Bonn. "Die neue Koalition mit ihrer eigentlich stabilen Mehrheit hat schon beim ersten Test gewackelt." Jetzt sei die Integrationskraft der neuen Regierungschefin gefragt: "Lieberknecht muss zusammenhalten, was nicht wirklich zusammengehört".

"Mehrheit ist Mehrheit" stellt die Allgemeine Zeitung fest. Das Mainzer Blatt erinnert in diesem Zusammenhang an Konrad Adenauer, der 1949 mit einer Stimme Mehrheit - seiner eigenen - zum Bundeskanzler gewählt wurde. Nach diesem Maßstab sei Christine Lieberknecht "glimpflich davongekommen. Sie hat Schrammen abbekommen, aber sie ist nicht wirklich beschädigt, denn von Anfang an war klar, dass bei der geheimen Abstimmung Frustrationen ausgelebt und Missmut über das neue Bündnis manifestiert werden würden". Sollten es CDU-Stimmen gewesen sein, die Lieberknecht zunächst fehlten, so die Tageszeitung weiter, "dann müssen sich die Christdemokraten allerdings fragen lassen, wie sie's denn gerne hätten: Lieber stolze Opposition bei einer rot-roten Regierung?"

Eine Lanze für die neue Ministerpräsidentin bricht die Berliner Morgenpost: Thüringens CDU habe sich "dank der SPD doch noch zurück in die Regierung gerettet. Ohne ihre auf Ausgleich und Kompromiss bedachte Spitzenfrau wäre das der Union nicht gelungen. Der neue, mit Christine Lieberknecht nicht länger auf Konfrontation und Überheblichkeit angelegte Regierungsstil wird Thüringen gut tun. Das Land gehört neben Sachsen zu den beiden erfolgreichen im Osten. Die neue Koalition schafft bessere Voraussetzungen als die rot-rote Alternative, dass es so bleibt".

Zusammengestellt von Susanne Niedorf

Quelle: ntv.de

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