Pressestimmen

Personalie Steinbach "Den Fall muss die Kanzlerin klären"

Im Streit um die Berufung der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach in den Stiftungsrat der geplanten Vertriebenen-Gedenkstätte zeichnet sich zwischen FDP und Union nach wie vor kein Kompromiss ab. Schlimmer noch: der Konflikt droht zu eskalieren. Doch nicht nur die neue Koalition ist uneins - auch die Presse ist gespaltener Ansicht.

Die Personalie Steinbach belastet die neue Koaltion.

Die Personalie Steinbach belastet die neue Koaltion.

(Foto: dpa)

"Mit seiner Kritik an Steinbach hat Westerwelle Recht", konstatiert die Wetzlarer Neue Zeitung. Steinbach habe immerhin in den 90er Jahren als CDU-Abgeordnete im Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als Grenze zu Polen gestimmt. Für Polen sei die CDU-Politikerin deshalb nicht akzeptabel. Sie sei "aber auch ein bequemes Opfer für die Projektion polnischer Vorbehalte gegen Deutschland", heißt es weiter. Dabei blende "die Regierung in Warschau aus, dass Erika Steinbach im Bund der Vertriebenen viel Versöhnliches bewirkt hat".

Die Nordwest-Zeitung reibt sich verwundert die Augen: "Ausgerechnet der FDP-Chef und Außenminister Guido Westerwelle will die Berufung der Vertriebenen-Präsidentin Erika Steinbach auf den Posten im Beirat der Vertriebenen-Gedenkstätte verhindern. Aus Rücksicht auf Polen". Dass dieses Veto vom Vorsitzenden einer liberalen Partei komme, die sich in höchstem Maß der Meinungsfreiheit und der Toleranz verpflichtet fühle, sei schon "ein starkes Stück", ist hier zu lesen. Das Oldenberger Blatt geht noch einen Schritt weiter und wirft Westerwelle vor, Grundwerte zu missachten: "Es wäre der erste schwere Fehler des Außenministers. Erika Steinbach wird schon seit Jahren geradezu mit Hass von einigen polnischen Politikern attackiert. Dabei hat sich die Vertriebenen-Präsidentin ein ums andere Mal für Versöhnung und Verständigung eingesetzt. Den Fall Steinbach muss endlich die Kanzlerin klären."

Der Wiesbadener Kurier hingegen billigt das Veto des Außenministers und bescheinigt ihm "gute Gründe im Blick auf das Verhältnis zum östlichen Nachbarn". Das Dilemma liege bei Kanzlerin Merkel, die weder die FDP-Position "noch die Rückendeckung weiter Teile ihrer eigenen Partei und der CSU für Steinbach" ignorieren könne. Für das Blatt ist klar: "Einer offenen Kraftprobe oder einem unwürdigen Eiertanz entkommt Angela Merkel nur, wenn sie hinter den Kulissen in letzter Minute die Vertriebenen und Steinbach selbst vom Verzicht überzeugt."

Irritiert über den heftigen Streit scheint die Frankfurter Rundschau: "Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ist vor allem auch ein politischer Erfolg von Erika Steinbach. Sie hat dafür geworben und über Parteigrenzen hinweg Bündnisse geschmiedet. Erika Steinbach und der Bund der Vertriebenen sind nun dabei, die Früchte ihrer Ernte verderben zu lassen. Politischer Krawall scheint ihnen wichtiger zu sein als die Chance auf eine kontinuierliche Entwicklung ihrer Sache."

"Will Erika Steinbach im Rahmen der Stiftungsarbeit das Unrecht der Vertreibungen weltweit ächten, wird ihr das im Unfrieden mit dem wichtigsten östlichen Nachbarn, der das Trauma des deutschen Überfalls bis heute nicht verarbeitet hat, denkbar schwerfallen", beurteilt der Münchner Merkur die Situation. "Darüber dürften sich auch der Bund der Vertriebenen und dessen Präsidentin im Klaren sein. Leider aber ist die politische Fallhöhe inzwischen beträchtlich." Während sich aber die CSU in Sorge um ihre Klientel mit Vertreibungs-Hintergrund um die Präsidentin versammele, mache der neue Außenminister "sich ungebeten zum Lautsprecher der Polen" und provoziere damit eine Erwartungshaltung, "die eine diplomatische Lösung des hochsensiblen Falles nahezu unmöglich erscheinen lässt".

Zusammengestellt von Susanne Niedorf

Quelle: ntv.de

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