Pressestimmen

Wähler rechnen mit Berlusconi ab "Die Kraft der Verführung ist dahin"

Die Italiener wollen keine Atomkraft, so das Ergebnis des Referendums. Aber sie votierten nicht nur gegen den Wiedereinstieg des Landes in die Kernenergie. Die Wähler machten deutlich, dass die Zeit von Premier Silvio Berlusconi, der von einem Skandal zum nächsten stolpert, abgelaufen ist. Nur er selbst scheint es nicht zu merken.

Berlusconi bekommt die Existenz der Wutbürger seines Landes zu spüren.

Berlusconi bekommt die Existenz der Wutbürger seines Landes zu spüren.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Die Italiener haben deutlich gemacht, dass sie Berlusconi nicht mehr länger an der Spitze ihres Staates ertragen, meint die Ostsee-Zeitung. Sie wollen einfach "nicht länger zusehen, wie der selbstherrliche Polit-Playboy mit seinen Eskapaden das Land malträtiert. Sie haben genug von der unseligen Liaison zwischen Geld und Politik, Sex und Macht und der Chuzpe, mit der der skandalträchtige 'Cavaliere' die Justiz Italiens regelmäßig demütigt. Die Abstimmungen sind eine Niederlage für den unsäglichen Berlusconismus und ein Befreiungsschlag für den Bürgerwillen. Erstmals nach 16 Jahren gingen wieder mehr als 50 Prozent der wahlberechtigten Italiener an die Wahlurne" und besiegelten den Atomausstieg. Ob allerdings auch der Ausstieg aus dem "System Berlusconi" folgen werde, bleibe abzuwarten, so das Blatt aus Rostock. "Eine strahlende Zukunft hat das jedenfalls so wenig wie die Atomkraft. Berlusconis Zeit ist abgelaufen."

Die Frankfurter Rundschau sieht in dem Ausgang des Referendums ein eindeutiges Signal: "Fast 20 Jahre lang hat der Unternehmer aus Mailand die italienische Nachkriegspolitik geprägt wie niemand zuvor. Das Referendum wurde zum Misstrauensvotum gegen seine Politik, gegen seinen Regierungsstil und seine Aushöhlung des Rechtsstaates, zu einer Generalabrechnung mit einem alternden Populisten, dessen Zenit überschritten ist, der das aber nicht wahrhaben will."

Bereits bei den Kommunalwahlen habe Berlusconi "erheblich gelitten". Jetzt sei er noch weiter geschwächt. Und das nicht etwa, "weil seine Gegner so stark wären", schreibt der Kölner Stadt-Anzeiger. Er sei vielmehr "zum Opfer seiner selbst, seiner Hybris geworden. Die Diskussion um seine Nachfolge zu unterdrücken wird nun noch schwieriger." Inzwischen dämmere sogar seinen Getreuen, "dass eine Ära ihrem Ende zugeht."

"Der Herrscher hat den Kontakt zu seinem eigenen Volk verloren. Die Kraft der Verführung ist dahin", kommentiert auch die Stuttgarter Zeitung. Allerdings habe Berlusconi den Zeitpunkt für einen geordneten Rückzug längst verpasst – und wolle weitermachen. Das heiße: "In der tiefen Wirtschaftskrise, aus der Italien noch nicht herausgekommen ist, steht Europas drittgrößte Volkswirtschaft praktisch ohne Regierung da."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki

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