Denkanstöße und Testballons "Die Maut wird wohl kommen"
18.04.2011, 21:08 UhrDie Diskussion über eine PKW-Maut flammt regelmäßig auf und wird ebenso regelmäßig erstickt. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) entschuldigt sich im Nachhinein für seine "Denkanstöße", Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt sie bis zu den Wahlen 2013 kategorisch aus. Trotzdem: Die PKW-Maut wird kommen, sind sich Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen sicher. Die Frage ist nur, wie sie mit der Kfz- oder Benzinsteuer verrechnet wird und ob sie dem Straßenbau zugutekommt.
Der Münchner Merkur merkt an, dass "man natürlich darüber nachdenken darf, ob man in Deutschland 'Wegegebühren' erheben soll, zumal das fast alle Nachbarländer schon tun. In der Praxis allerdings dürfte sich rasch zeigen, dass wieder einmal der sprichwörtliche kleine Mann am härtesten getroffen wird, der ohnehin an dramatischen Kostensteigerungen rund ums Auto schwer zu knabbern hat – während S-Klasse-Piloten ein paar Euro zusätzlich kaum spüren dürften. Der Staat hat ja auch vor allem eines im Sinn: Die Installation einer komfortablen Geldbeschaffungsmaschine mit zahllosen Stellrädchen, an denen er nach Belieben herumspielen kann, um die Autofahrer mehr und mehr zu schröpfen."
"Alle Jahre wieder steigt ein Testballon", hat auch die Märkische Oderzeitung beobachtet und schreibt: "Diesmal war die Ausweitung der Lkw-Maut auf einen Teil der Landstraßen Grund genug, eine Abgabe für alle Autos ins Spiel zu bringen. Die Bundesregierung und insbesondere der Bundesverkehrsminister tun so, als ob sie damit nichts zu tun hätten. Beamte im Ministerium hätten einfach mal so gerechnet, sagt Minister Ramsauer. ... Klar ist: Die Regierung hat die Maut fest im Blick. Sie überlegt nur, wie und wann sie Realität werden soll. Und wie man sie freundlich verpacken kann."
Für die Leipziger Volkszeitung verlaufen nur wenige Debatten so vorhersehbar wie die über die Einführung einer PKW-Maut. "Das Drehbuch: Im Verkehrsministerium wird intern fleißig gerechnet und öffentlich dementiert. Autofahrerverbände und Opposition laufen Sturm. Ihre Hauptargumente: Zu teuer, umweltschädlich und eine Gefahr für die Verkehrssicherheit. Seit Jahren sind die Reflexe gleich. Und seit Jahren scheint es keine Rolle zu spielen, dass Straßengebühren in unseren Nachbarländern der Normalfall sind - ohne, dass zum Beispiel nur noch Reiche Auto fahren. Dafür sind viele Autobahnen in anderen EU-Staaten inzwischen in einem so guten Zustand wie es die deutschen einmal waren. Die Mautgebühren werden dort nämlich direkt in die Straße investiert."
Im Mannheimer Morgen ist zu lesen, dass der ökologische Mehrwert der PKW-Maut umstritten und überschaubar sei. "Diesen Anspruch aber hat sie auch nicht. Sie ist nur ein anderes Instrument zur Finanzierung von Verkehr. Ob Autofahrer dabei eine Jahrespauschale bezahlen oder wie in Frankreich und Italien nach gefahrener Strecke, ist dabei zweitrangig. Die erste Frage, die die Koalition sich zwischen allen Dementis stellen sollte, ist eine andere: Warum erheben in einem immer enger zusammen rückenden Europa immer mehr Länder eine Autobahngebühr - nur nicht das Land, durch das sich der meiste Verkehr quält?"

(Foto: dapd)
"Weniger Hysterie und mehr Sachlichkeit" in der Diskussion mahnt die Neue Osnabrücker Zeitung an. Für sie ist die Faktenlage klar: "Die schwarz-gelbe Bundesregierung will bis 2013 nichts von einer Gebühr für Autofahrer wissen, siehe Koalitionsvertrag. Gleichwohl ist bekannt, dass Verkehrsminister Peter Ramsauer sein Haus gerne auf Trab hält und es durchaus auch mit Planspielen beschäftigt. Die nun veröffentlichten Szenarien um eine elektronische Vignette belegen, dass die PKW-Maut ein Zukunftsprojekt ist. Ramsauers Aufgabe besteht darin, dem Autovolk die Argumente für eine Vignette zu vermitteln: Fernstraßen in gutem Zustand brauchen eine stabile Finanzierung und kommen ihren Nutzern direkt zugute - und damit auch dem ausländischen Transitverkehr, der bisher kostenlos deutsche Autobahnen strapaziert."
Einen lustigen Vergleich zieht die Main-Post, die PKW-Maut mit einem "kleinen Springteufel vergleicht, der, wenn der Deckel der Schachtel berührt wird, heraushüpft und lustig wippt. Immer wieder und zuletzt in immer kürzeren Abständen rüttelten deutsche Politiker am Verschluss und ließen den kleinen Kerl raus. Die Einnahmen aus einer Autobahngebühr dürfen nicht zum Stopfen von staatlichen Haushaltslöchern zweckentfremdet werden. Sinnvoll wäre es, eine PKW-Maut streng zweckgebunden zu verwenden: für mehr öffentlichen Personennahverkehr, Ausbau von Radwegen oder auch den Aufbau eines bundesweiten Netzes von Ladestationen für das individuelle Fortbewegungsmittel der Zukunft - das Elektroauto. Wenn das gelingt, muss man den Springteufel auch nicht mehr in die Schachtel sperren."
Die Freie Presse schätzt ein, dass die Diskussion äußerst ungelegen für die Bundesregierung kommt. "Zwar könnte sie die vielen Milliarden Euro an zusätzlichen gut gebrauchen. Überdies ist einer Maut auch aus umwelt- und verkehrspolitischer Sicht etwas abzugewinnen. Aber: Nach verlorenen Wahlen, FDP-Krise, Libyen-Konflikt und dem Riesenchaos in der deutschen Atom-Politik ist die Autobahngebühr definitiv ein Aufreger zu viel für das geschwächte Nervenkostüm der Republik. Gestern ließ Angela Merkel deshalb deutlich vernehmbar wieder den Pfropfen auf jenes Fass hämmern, das in den Hinterzimmern des Verkehrsministeriums aufgemacht worden war."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Peter Richter