Abgas-Affäre weitet sich aus "Diese Rechtfertigung ist hanebüchen"
22.04.2016, 20:37 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Zwischenzeitlich war es verhältnismäßig ruhig geworden um VW: Jetzt hat der Abgasskandal die Wolfsburger wieder voll im Griff. Der Konzern fährt einen Verlust von 1,6 Milliarden Euro ein und die finanziellen Folgen in den USA sind nicht absehbar. Doch auch Andere scheinen nicht ganz sauber zu sein - das gipfelt in einer beispiellosen Rückrufaktion bei vielen deutschen Autobauern. Die Kommentatoren vermuten den Fehler im System.
Die Neue Westfälische steht der Rückrufaktion deutscher Autobauer kritisch gegenüber: "Auch wenn die Behörde jetzt keine illegale Software fand, sondern 'nur' bemängelt, dass bei bestimmten Außentemperaturen die Reinigung der Abgase zurückgefahren wird, hat sie doch erhebliche Zweifel". Das gute Image der deutschen Autobauer sei angekratzt, so die Zeitung aus Bielefeld, aber am Ende zahlten die Verbraucher, "die mehr Stickoxide einatmen und nach einem Update mehr tanken müssten", den höchsten Preis.
Die Kommentatoren der Neuen Osnabrücker Zeitung beleuchten die Rolle der Bundesregierung beim schmutzigen Geschäft mit den Abgasen. Von dem Betrug wollen die deutschen Zulassungsstellen nichts gewusst haben - die Zeitung wirft allerdings die Frage auf: "Ist das Eingestehen des Versagens aber plausibel oder eine Schutzbehauptung?" Zudem äußert das Blatt Bedenken, dass das Fehlverhalten der Topmanager nun die Arbeitnehmer ausbaden müssten.
Das Bekanntwerden immer neuer Unregelmäßigkeiten bei den Abgaswerten bereitet der Stuttgarter Zeitung Sorge: "Fakt ist, der Kunde kann sich nicht mehr sicher sein, ob er eine Dreckschleuder besitzt - egal, welchen Hersteller er bevorzugt." Der Image-Schaden scheint branchenübergreifend kaum absehbar, fürchten die Kommentatoren. Dabei könnte der Super-GAU noch bevorstehen, "wenn es Ermittlern gelingen sollte, (...) bewusstes Fehlverhalten nachzuweisen". Sollte das der Fall sein, schreibt die Zeitung, drohten Klagen in Milliardenhöhe, die sogar Industrieschwergewichte ins Wanken bringen könnten.
Die Mitteldeutsche Zeitung kritisiert das Vorgehen bei offiziellen Tests unter dem Schutzmantel des EU-Regelwerks: "Doch diese Rechtfertigung ist hanebüchen." Die Autobauer sollten sich nicht länger mit juristischen Spitzfindigkeiten abgeben, so das Blatt aus Halle, sondern so schnell wie möglich dafür sorgen, dass die Abgasreinigungen vorschriftsmäßig funktionieren. Und "sie sollten mit einem Bußgeld belegt werden."
Der Tagesspiegel verweist dagegen auf die Rolle des Unternehmens für die gesamte deutsche Wirtschaft. Unumstritten sei, so dass Blatt aus Berlin, dass die Wolfsburger Mist gebaut hätten und dafür zahlen müssten. Aber: "16 Milliarden Euro veranschlagt das Management. Es wäre gut für das Unternehmen - und die deutsche Wirtschaft-, wenn es dabei bliebe". Die Kommentatoren glauben, dass VW die Krise aus finanzieller Sicht bewältigen werde - Sorgen bereiten andere Themen: "Wie funktioniert der Kulturwandel in dem bis vor Kurzem autoritär geführten Konzern? "
Zusammengestellt von Judith Günther
Quelle: ntv.de