Die Entmachtung Mursis und die Rolle des Militärs "Diktatur der größten Zahl"
04.07.2013, 13:09 Uhr
Wo Saudi-Arabiens König Abdullah der Armee zum Putsch gratuliert, zeigt sich US-Präsident Obama "zutiefst besorgt". Nach der Entmachtung von Präsident Mohammed Mursi ist die ägyptische Verfassung durch das Militär ausgesetzt. Die Europäische Union will vor allem, dass das Land schnell zur Demokratie zurückkehrt. Die europäische Presse ist sich einig: Ein Eingreifen der Armee war nahezu unausweichlich, doch mit der Festsetzung Mursis hat sich der Konflikt im Land noch lange nicht erledigt.
Die französische Zeitung Le Figaro zeichnet ein Bild von Mursis Scheitern. "Kaum war er mit 51,7 Prozent der Stimmen an die Macht gekommen, hat Mursi eine Demokratie-Parodie präsidiert." Wirtschaftliche Probleme und Interessen des Landes habe er unbeachtet gelassen, heißt es. Stattdessen hätten Mursi und seine Anhänger mittels Wahlrecht keine Demokratie, sondern eine "Diktatur der größten Zahl" geschaffen.
Zu einem ähnlichen Urteil kommt die französische Tageszeitung Libération. "In dem einen Jahr an der Macht hat Mohammed Mursi es nicht geschafft, den Beweis zu erbringen, dass sich ein moderater Islam selbstverständlich in den Rahmen einer Demokratie einfügen kann."
Die Kölnische Rundschau sprach in diesem Zusammenhang noch vor dem Umsturz des Militärs von einer tragischen Situation desselbigen. Hätte die Armee die Gesetze geachtet, hätte sie den demokratisch gewählten Mursi gewähren lassen und einen Bürgerkrieg riskieren müssen. Das Einschreiten der Armee empfindet der Berliner "Tagesspiegel" deswegen zwar als "unausweichlich", fürchtet jedoch gleichzeitig um "neue Dimensionen innerer Gefahren" in Ägypten. Das Blatt vermutet, radikale Teile des islamischen Spektrums würden nun in den Untergrund abtauchen. Ähnlich wie in einigen arabischen Nachbarländer könnten dann die Muslimbrüder-Sympathisanten von einst als Strippenzieher hinter Anschlägen mit Autobomben, Entführungen, politischen Morden und anderen Hinterhalten wieder auf die Bildfläche zurückkehren. Außerdem warnt die Zeitung, es könne sich das Recht einbürgern, "mit den Füßen über seine demokratisch gewählten Staatschefs abzustimmen". Während die Präsidenten des Landes dann immer schneller wechseln würden, blieben die eigentlichen Probleme des Landes bestehen.
Das wesentliche Problem ist nach Ansicht des Luxemburger Worts das Kräftemessen zweier annähernd gleich großer Lager: dem säkularen und dem islamistischen. Mit der Armee sei nun eine dritte Kraft ins Spiel gekommen. "Sie sieht sich in dieser Staatskrise als Wahrer der staatlichen Einheit und zum Schiedsrichter berufen", schreibt das Blatt. Das Militär könne in Ägypten vielleicht einen "Burgfrieden zwischen den beiden Lagern erzwingen", heißt es. Gleichzeitig sei es unwahrscheinlich, dass ein solcher längere Zeit anhalten könne.
Quelle: ntv.de