Pressestimmen

Kritik an Zapfenstreich für Wulff "Drama verkommt zur Tragikkomödie"

Nach seinem Rücktritt als Bundespräsident nimmt Christian Wullf noch mit, was er kriegen kann: Ehrensold, Dienstwagen, Büro, Mitarbeiterstab - und nun auch den Großen Zapfenstreich. Während die einen darin einen endgültigen Beweis seines fehlenden Fingerspitzengefühls sehen, verteidigen andere Wulffs Recht auf Würde.   

Der Südkurier sieht Christian Wulff "im Trotz" gehen. Und dabei nehme er sich, "was ihm von Rechts wegen zusteht: Ehrensold, Mitarbeiterstab, großer Zapfenstreich". Für das Blatt aus Konstanz sei dies "ein unschöner und unwürdiger Abschied. Sein Abgang nage weiter am Ansehen des Amtes, vor allem aber am Ansehen des bisherigen Amtsträgers. Es hat etwas Beklemmendes, dass sich ein ehemaliges Staatsoberhaupt so verrennen kann." Es wäre besser gewesen, wenn diese Bundespräsidentschaft nach Wulffs Rücktritt "ein versöhnlicheres Finale gefunden" hätte. "Stattdessen verkommt das Drama endgültig zur Tragikomödie: So setzt der Zapfenstreich einen schrillen Schlussakkord unter ein nicht weniger schrilles Kapitel in der Geschichte von Schloss Bellevue. Schade", resümiert die Zeitung. Denn "auch ein Christian Wulff hätte einen weniger peinlichen Abschied verdient. Leider steht er sich permanent selbst im Weg."

"Der Zapfenstreich, zumindest in seiner heutigen Ausprägung, und die Frage, wem er zusteht, war stets ein Politikum und für das Militär eine Frage der Ehre. Und auch die Geehrten überlegten - je nach politischem Standpunkt - stets, ob sie sich in diese Tradition stellen wollten", erinnert die Ludwigsburger Kreiszeitung. "Dass die Soldaten nun einem Mann die Ehre erweisen sollen, den sie vermutlich weder achten noch ehren, ist nicht ein würdevoller, sondern eher der traurige Schlusspunkt unter einer bedauernswerten Affäre." Das Blatt fragt sich, "warum Wulff, der in Niedersachsen als Landesvater über die Parteigrenzen hoch beliebt war, so wenig Fingerspitzengefühl besitzt, dass er die Unangemessenheit seines Verhaltens nicht erkennt."

Das sieht der Mannheimer Morgen anders und vergleicht Wulffs Zapfenstreich mit Sport: "Im Fußball ist Nachtreten verpönt. Egal, welches Foul vorausging - dem Übeltäter im Weggehen noch einen mitzugeben, gibt Rot. Das sollte man auch bei Christian Wulff beherzigen. Der Große Zapfenstreich für ihn mag noch so peinlich wirken. Doch wenn er diesen traditionellen Abschied unbedingt will, soll er ihn haben. Als Bundespräsident entpuppte sich Wulff als Fehlbesetzung. Aber so Schreckliches, dass man ihn mit Schimpf und Schande davonjagen müsste, hat er nicht getan. Seine mittelgroßen und kleinen Verfehlungen hatte sich Wulff primär als niedersächsischer Ministerpräsident geleistet."

Andere Töne schlägt die Leipziger Volkszeitung an, wenn sie schreibt: "Jetzt ist der Albtraum Wulff zur unrettbaren Heldenschau geworden. Nun sagen auch Politiker für Wulffs Tschingdarassabum-Streich ab, noch ehe sie eingeladen wurden, wie bei der SPD. Bei der FDP brüstet man sich, keine Zeit zu haben. Und Wulff, statt vorerst auf den endgültigen Beweis eigener Peinlichkeit zu verzichten, schafft es sogar, die Musik-Stücke für seinen offiziellen Abgang zum Streitgegenstand werden zu lassen. Erst war es das Falsche, dann das Unzulässige und schließlich unbescheidene vier Lieder. So gerät zum Demokratiekiller was als gute Geste der Republik gedacht war."

Auch die Westdeutsche Zeitung hält dagegen: "(…) ein ehemaliger Bundespräsident hat ein Recht auf Würde. Und er hat ein Recht auf eine rechtsstaatliche Untersuchung seiner Fehlbarkeit, während der genügend Zeit sein sollte, sich die Bedeutung des höchsten Amtes im Staate zu vergegenwärtigen. Im christlichsten Sinne: Es ist genug."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Julia Kreutziger

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