Pressestimmen

Wiederwahl von Lukaschenko "EU betrügt sich selbst"

Alter und neuer Präsident Weißrusslands: Alexander Lukaschenko.

Alter und neuer Präsident Weißrusslands: Alexander Lukaschenko.

(Foto: REUTERS)

Nicht nur die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl, auch die Uneinigkeit der Opposition hat Lukaschenkos Sieg möglich gemacht, urteilt n-tv.de. So bleibt er der letzte Diktator Europas, was sein Niederprügeln der Krawalle beweist. Aber braucht der Westen sich darüber gar nicht künstlich aufzuregen. Schon lange ist in Brüssel bekannt, wie in Minsk Politik gemacht wird. Trotzdem genießt Luka Narrenfreiheit.

„Dass Luka, wie er im Volk genannt wird, zu Recht den Titel des letzten Diktator Europas trägt, zeigt die Prügelorgie seiner Miliz, nachdem die Wahllokale geschlossen wurden“, konstatiert die Frankfurter Rundschau. (…) Der alte und neue weißrussiche Präsident verdeutliche, „dass er auf den Westen und seine politischen Standards pfeift“. Doch damit stehe er fast allein da – ein Grund, warum er in den Augen des Blattes so um sich schlage. „Falsch wäre es aber, dies als seine letzten Zuckungen zu deuten. Im Volk gibt es keinen organisierten Widerstand - nicht nur, weil die Opposition keinen gemeinsamen Weg findet. Sondern auch, weil jede kleine Protestflamme sogleich erstickt wird.“

Dabei sieht die Ostsee-Zeitung nicht nur im „brutale(n) Machtapparat des früheren Kolchos-Vorsitzenden Lukaschenko“ den Grund für die schwachen Chancen der Opposition, sondern auch in den Gegnern selbst: „Die Opposition ist tief zerstritten, neun Kandidaten traten an. Mehrere von ihnen entstammen dem alten Machtapparat und sind deshalb Opposition, weil sie sich mit dem Autokraten Lukaschenko überwarfen. Es fehlt der Opposition an einer Persönlichkeit, die es mit ‘Väterchen‘, wie sich Lukaschenko gern nennen lässt, aufnehmen kann. Und nachdem der Präsident Proteste brutal niederknüppeln ließ, scheint Minsk von einer West-Annäherung noch weit entfernt.“

Der Mannheimer Morgen beurteilt die Proteste des Westens, die zwar durchaus angebracht seien, aber als Druckmittel längst nicht ausreichen. „Es darf keine Milliardenhilfen für solch ein brutales Regime geben. Soll sich Lukaschenko doch wieder mit seinen früheren Freunden in Moskau verbünden. Dort regieren auch keine lupenreine Demokraten.“

In der Braunschweiger Zeitung kommt der Westen weniger gut weg: „Lukaschenko ist zugleich eine Art Lackmustest, der ausweist, wie doppelzüngig die EU vorgeht, wenn das opportun erscheint. Die Europäische Union hat sich auch in den 16 Jahren der Lukaschenko-Herrschaft beharrlich selbst betrogen. Im Gegenzug für Reformen sollten Milliarden fließen, Reformen aber wird es unter diesem Präsidenten nicht geben. Nun zeigt sich die EU entsetzt - das ist schlicht verlogen, denn wie in Minsk Politik gemacht wird, ist in Brüssel natürlich bekannt.“

Die Ludwigsburger Kreiszeitung rät der EU, „die Zügel wieder an(zu)ziehen und die nur ausgesetzten Sanktionen, darunter ein Einreise- und Kontaktverbot für weißrussische Regierungspolitiker, wieder in Gang (zu) setzen.“ Wichtiger sei es jedoch, sich auf Moskau zu konzentrieren. Denn dort träumen Medwedew und Putin von einer engeren Zusammenarbeit mit der Europa. „Minsk ist ihre Schmuddelecke, Lukaschenko der Präsident von ihren Gnaden. Sie müssen dort aufräumen. Die gestrigen Erklärungen aus dem Kreml allerdings verhießen nichts Gutes. Man wolle sich nicht in die inneren Angelegenheiten des Landes einmischen, hieß es. Aber was sind innere Angelegenheiten noch, wenn man ein gemeinsames Haus Europa bewohnt?“

Zu einem ähnlichen Urteil kommt auch der Nordbayerische Kurier: „Die Tragik der Weißrussen in der Geschichte: Ihr Land wird mit Füßen getreten; die Mächtigen finden es zum Darüberhinwegsehen. So richtig rührt sich keine Hand, um den Menschen dort beizustehen. Ihr Los dürfte sich kaum ändern, weil der seit 16 Jahren herrschende und nun wiedergewählte Staatschef Lukaschenko wenig behelligt von Russland und der EU sein eigenes Süppchen kochen kann. Der Kreml wünscht auf keinen Fall, dass sein Vorposten an EU und Nato fällt. Medwedew und Putin lassen Lukaschenko an der langen Leine laufen; er genießt Narrenfreiheit. Gerne sprechen EU-Verantwortliche davon, Freiheit und Demokratie überall Geltung verschaffen zu wollen. Ihr hehrer Anspruch verblasst allerdings regelmäßig im tristen Alltag.“

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen