Pressestimmen

SPD im Umfragetief "Ein echter Rohrkrepierer"

"Wir haben die besseren Köpfe und die besseren Ideen", sagte der SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier bei der Vorstellung seines Wahlkampfteams. Doch knapp zwei Monate vor der Bundestagswahl ist die SPD in der Wählergunst auf den schlechtesten Wert des Jahres gefallen. Nur 20 Prozent würden die große Volkspartei wählen - für die Presse ist ein Teil der Probleme der Sozialdemokraten jedoch hausgemacht. Sie vermisst zudem Begeisterung und Charisma.

Ein Außenminister ist noch kein Kanzler: Einer aktuellen Umfrage zufolge würden sich derzeit nur 20 Prozent der Wähler für die SPD entscheiden.

Ein Außenminister ist noch kein Kanzler: Einer aktuellen Umfrage zufolge würden sich derzeit nur 20 Prozent der Wähler für die SPD entscheiden.

(Foto: AP)

Dass nur jeder Vierte Bundesbürger Steinmeier im Kanzleramt sehen will, obwohl doch über die Hälfte mit der Arbeit des Außenministers zufrieden ist, sei "eine freundliche Ablehnung", findet die Leipziger Volkszeitung. Wie konnte das geschehen? "Die Bürger trauen Steinmeier nicht die nötige Zugkraft zu, vermissen bei ihm Charisma und bei der SPD Schwung und Zündstoff. Die Volkspartei, die sich als Vertreterin der Arbeitnehmerinteressen versteht, ist ausgerechnet in der Wirtschaftskrise langweilig und uninteressant geworden. In diesen Trend passt auch, dass die Linke kaum punkten kann, weil die Wähler in neuen-alten Verteilungskonzepten nicht den Ausweg sehen." Was macht Angela Merkel in dieser Situation? "Die CDU-Chefin lehnt sich zurück und schaut genüsslich zu, wie ihr SPD-Herausforderer sich abstrampelt, einen Deutschland-Plan vorlegt und durchs Land tourt", vermutet das Blatt.

"Warum konzentrieren sich die Sozialdemokraten nicht endlich mit mehr Temperament auf ihr ureigenstes Gebiet?", wundert sich die Nordsee-Zeitung aus Bremerhaven. "Steinmeiers Deutschland- Plan ist ja gar nicht übel; hätte CSU-Shootingstar Freiherr zu Guttenberg ihn vorgelegt, alle hätten ihn als Wirtschaftsvisionär reinsten Adels gefeiert. Steinmeiers Verkaufe ist dagegen ein echter Rohrkrepierer", urteilt das Blatt. Wieso muss der Kandidat "das angestammte Terrain, das Soziale" aber "dröge wie ein Ackergaul als Seminar-Arbeit abhandeln? Nur wer selbst begeistert ist, kann auch andere begeistern. Dieser Satz stammt von Oscar Lafontaine. Der gilt bei der SPD naturgemäß nichts. Sein Satz stimmt aber trotzdem."

Doch warum hat die SPD an Sympathie verloren? "Es gibt hausgemachte Gründe", meint die Oldenburger Nordwest-Zeitung. "Der Partei zerbröselt  das Fundament, auf das sie in der Vergangenheit bauen konnte: Die Arbeiterschaft in den Ortsvereinen. Hier schlug das sozialdemokratische Herz. Arbeiter aber zählen in unserer Dienstleistungsgesellschaft zu einer aussterbenden Spezies. Der Kassierer, der von Tür zu Tür ging und ein offenes Ohr für die Probleme der Mitglieder hatte, wurde durch das Lastschriftverfahren ersetzt. Damit ging der Kontakt zwischen Basis und Partei-Establishment verloren. Auch auf der nächsthöheren Organisationsebene, den Unterbezirken, sind die Versammlungen häufig nur mäßig besucht. Und wenn es einmal hoch her geht, dann bestimmt erbitterter Streit die Diskussionen. Mandatsträger werden gemobbt bis zur Rückgabe des Parteibuchs. Wie soll so eine Aufbruchstimmung entstehen?"

"Die besseren Köpfe": Frank-Walter Steinmeier mit seinem Wahlkampf-Team.

"Die besseren Köpfe": Frank-Walter Steinmeier mit seinem Wahlkampf-Team.

(Foto: AP)

Ähnlich pessimistisch und resigniert beschreibt auch die Main-Post die Situation: "Kleine Leute haben die Qual der Wahl. Sie sind umgeben von Politikern, die etwas versprechen. Die einen zaubern mal eben vier Millionen neue Arbeitsplätze aus dem Hut, die anderen wollen die Steuern drastisch senken, was angesichts des Billionen-Schuldenbergs nach der Quadratur des Kreises klingt. Die Realpolitik sieht leider anders aus. Sie ist durch Deregulierung und Entlastungen für die Starken der Gesellschaft geprägt."

Wie kann es nun für die SPD weitergehen? Nach Meinung der Badischen Zeitung brauchen die Sozialdemokraten nur eins: "einen langen, intensiven Wahlkampf mit heftigen Sachdiskussionen, um ihre Alternativen deutlich zu machen und die Farblosigkeit ihres Spitzenkandidaten vergessen zu lassen." Dies, so das Blatt, wird ihnen von der Union aber vermutlich nicht gegönnt: "Angela Merkel, selbst auch keine charismatische Politikerin, weiß, dass sie und ihre Partei am meisten dann profitieren würden, wenn es überhaupt keinen Wahlkampf gäbe. Dies gilt übrigens auch für die FDP. Deshalb werden sie den Wahlkampfbeginn so lange wie möglich hinauszögern und das Programm hinter den Personen zurücktreten lassen."

Der Westfälische Anzeiger Hamm sieht die Rettung für den SPD-Wahlkampf in vergangenen Zeiten: "Denn ein geschätzter Außenminister taugt noch lange nicht zu dem, was es bräuchte, um einer Angela Merkel nur annähernd gefährlich werden zu können: ein Wahlkampf-Frontschwein der Gattung Schröder, um sich zumindest auf diesem Feld abzusetzen. Davon aber ist Steinmeier so weit entfernt wie die Kanzlerin selbst." Seit Wochen brauche die SPD "einen Durchbruch, einen zündenden Funken in diesem ermüdenden Bundestagswahlkampf", findet die Zeitung. "Man muss kein Prophet sein, um schon heute zu sagen: Diesen Funken wird Steinmeier schuldig bleiben."

Zusammengestellt von Kathrin Klette

Quelle: ntv.de

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