Pressestimmen

Streit um Presseplätze im NSU-Prozess "Eine Schande für Deutschland"

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Das Münchener Oberlandesgericht gewährt zum NSU-Prozess keinem türkischen Medium einen festen Presseplatz im Verhandlungsraum – obwohl die Mehrzahl der Opfer der Rechtsextremen Bande aus der Türkei stammt. Die deutschen Medien sind empört.

Die Bild hat einer türkischen Zeitung ihren Platz im NSU-Prozess angeboten. Doch das Gericht blockiert den Tausch. Von dem Blatt heißt es nun: "Das darf doch wohl nicht wahr sein! Drei rechtsextreme Deutsche haben mutmaßlich acht Türken, einen Griechen und eine Polizistin umgebracht. Bei der Ermittlung haben die deutschen Behörden jahrelang versagt. Und wenn es jetzt endlich zum Prozess kommt, ist im Gerichtsaal kein Platz für türkische Journalisten? Das ist eine Schande für Deutschland!" Die Zeitung fragt sich, ob die Richter in München jeglichen Anstand verloren hätten? "Wenn es um die Aufklärung von rassistischen Verbrechen geht, darf man vom Gericht ein gewisses Feingefühl erwarten. Und ganz gewiss keine nationale Engstirnigkeit." Das Blatt lobt zudem die eigene Initiative und schreibt: "Daher ist die Geste, den türkischen Medien einen Platz im Gerichtssaal zu überlassen, so wichtig!"

Im Mittelpunkt des Prozesses soll Beate Zschäpe als mutmaßliche Mittäterin stehen.

Im Mittelpunkt des Prozesses soll Beate Zschäpe als mutmaßliche Mittäterin stehen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Andere Medien echauffieren sich weniger über die Absage an das Angebot der Bild, dafür aber umsomehr über die Haltung des Gerichts. Die Stuttgarter Zeitung schreibt: "Das ist ein Unding." So werde der ohnehin schwierige Prozess enorm belastet, noch bevor er überhaupt begonnen hat. "Dabei steht viel auf dem Spiel. Nach den Pannen bei Polizei und Verfassungsschutz darf sich Deutschland nicht erneut blamieren."

Die Ludwigsburger Kreiszeitung konkretisiert die Fehltritte in der Vorgeschichte der jüngsten Gerichtsentscheidung. "Die in den letzten Tagen und Wochen aufgetretenen Probleme und Pannen hätten vermieden werden können. Erst wurde ein viel zu kleiner Saal ausgewählt, obwohl jeder weiß, dass das Verfahren gegen Beate Zschäpe die Öffentlichkeit elektrisieren wird wie kaum ein anderes. Dann wurde dem türkischen Botschafter ein fester Platz verweigert, was von wenig politischem Fingerspitzengefühl des Senats zeugt. Und nun sollen türkische Journalisten außen vor bleiben." Das Blatt räumt zwar ein, dass die Münchener Justiz bei der Vergabe der Beobachterplätze strikt nach der angekündigten Prozedur vorgegangen ist, doch es kommt zu dem Schluss: "So taugt der NSU-Prozess ganz und gar nicht für bürokratische Formalienreiterei."

Die Heilbronner Stimme konzentriert sich vor allem auf das Signal, das durch die Medienauswahl der Justiz ausgeht. In der Zeitung heißt es: "Man stelle sich einmal vor: Ein Gericht in der Türkei verhandelt eine spät und schlampig aufgeklärte Mordserie an acht Deutschen. Aber deutsche Medien bleiben ausgesperrt - weil der Gerichtssaal leider, leider etwas zu klein geraten ist." Die Heilbronner Stimme ist sich sicher: "Es bliebe wohl nicht bei langen Gesichtern, ein geharnischter Protest aus Berlin wäre absehbar. Politische Irritationen nennt das die Diplomatie. Nun findet der ganze Ärger in der bayerischen Metropole statt. Genau dort patzt Justitia wie in unserem Beispiel. Und wundert sich tatsächlich über die heftigen Reaktionen."

Die Märkische Oderzeitung teilt die Vorbehalte der anderen Medien und zieht für sich eine einfache Konsequenz. "Wenn den Angehörigen der Opfer, ihren Anwälten und der sensibilisierten Öffentlichkeit jetzt nicht die Möglichkeit gegeben wird, die Arbeit der Justiz genau zu verfolgen, wird der NSU-Skandal um ein Kapitel reicher. Ein größerer Gerichtssaal muss her - alles andere wäre eine Schande für dieses Land."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Thomas E. Schmitt

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