Pressestimmen

Mladic in Serbien verhaftet Eine "überfällige Bringschuld"

Das Massaker von Srebrenica ist das furchtbarste Kriegsverbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg. Einer der mutmaßlichen Verantwortlichen, Ratko Mladic, wurde nun nach mehr als 15 Jahren auf der Flucht gefasst. Für Europa ist die Festnahme ein Erfolg. Für Serbien ein Schritt Richtung EU, auf den noch viele folgen müssen.

Ratko Mladic muss sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal wegen Völkermordes verantworten.

Ratko Mladic muss sich vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal wegen Völkermordes verantworten.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

"Die europäische Hartnäckigkeit hat sich ausgezahlt. Für das internationale Recht ist die unnachgiebige Verfolgung der während des Balkan-Konlikts begangenen Straftaten von gar nicht hoch genug einzuschätzender Bedeutung." Das Signal sei eindeutig, so das Mindener Tageblatt: "Menschenrechtsverbrecher aller Kontinente und Couleur sollen und können sich nie mehr sicher sein, nicht eines Tages doch noch zur verdienten Verantwortung gezogen zu werden."

Auch die Welt wertet die Festnahme des mutmaßlichen Kriegsverbrechers als europäischen Erfolg: "Mladic bildete zusammen mit dem serbischen Präsidenten Slobodan Milosevic und dem Präsidenten der Republika Srbska, Radovan Karadzic, jenes blutrünstige Trio, das mit seiner großserbischen Ideologie den Balkan zum Schauplatz von Völkermord, Folter, Vertreibungen und Massenvergewaltigungen machte und zum Albtraum von Europa wurde. Dass mit Mladic nun der letzte dieser drei gefasst werden konnte, spricht für die Ausdauer der internationalen Gemeinschaft. Es ist aber auch ein Erfolg Europas, das nach den Fehlern in den Balkankriegen später umso beharrlicher daran festhielt, die Beitrittsperspektive Serbiens und anderer Nachfolgestaaten Jugoslawiens von der Auslieferung von Kriegsverbrechern abhängig zu machen."

Das ist auch der Grund, weshalb sich die Heilbronner Stimme fragt, warum Mladic nach mehr als 15 Jahren auf der Flucht gerade jetzt gefasst wurde: "Kriegsverbrechen wie das Srebrenica-Massaker machten Mladic in den eigenen Reihen zum Volkshelden. Die falsche Verklärung führte dazu, dass dieser Schlächter über 15 Jahre lang untertauchen konnte und unbehelligt blieb. Wo er lebte, wusste in ganz Serbien angeblich niemand. Ob es nun Einsicht ist oder eher die Hoffnung auf ein ziemlich unanständiges Tauschgeschäft - der mit internationalem Haftbefehl Gesuchte gegen die EU-Eintrittskarte - darüber ist von der Staatsspitze wohl keine ehrliche Antwort zu erwarten."

In Srebrenica wurden etwa 8000 muslimische Männer und Jugendliche hingerichtet.

In Srebrenica wurden etwa 8000 muslimische Männer und Jugendliche hingerichtet.

(Foto: ASSOCIATED PRESS)

Mit der Ergreifung Mladics hat sich Serbien "aus der Geiselhaft des Mörders befreit". Maßgeblich verantwortlich ist für den Kölner Stadt-Anzeiger der serbische Innenminister Ivica Dacic. Seit dessen Amtsantritt "war ein vernünftiger Zweifel am Ziel, Mladic festzunehmen, kaum möglich. Doch Polizei und Geheimdienst in Serbien spielten nicht mit. Seit der Ära Milosevic sind sie korrumpiert und suchen, sich vor Strafverfolgung zu schützen. Jetzt wissen alle: Der Minister ist doch stärker. Der Weg Serbiens nach Europa ist frei."

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung erinnert allerdings daran, dass mit der Verhaftung noch lange nicht alle Probleme Serbiens auf dem Weg in die EU gelöst sind: "Die Festnahme Mladics war nicht etwa eine Vorauszahlung Serbiens auf einen EU-Beitritt, wie manche Belgrader Politiker es nun darzustellen suchen, sondern eine serbische Bringschuld, die lange überfällig war. Sobald die Genugtuung über den großen Fang dem Alltag gewichen ist, werden in Serbien die anderen Hürden auf dem Weg in die Europäische Union wieder ins Blickfeld rücken. Vor allem muss Belgrad eine Lösung für den Umgang mit dem Kosovo finden. Niemand verlangt - und kann verlangen -, dass Belgrad seine einstige Provinz als unabhängigen Staat anerkennt. 'Unterhalb' einer formalen Anerkennung muss aber eine Lösung gefunden werden."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Katja Sembritzki

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