Pressestimmen

Sarkozy jagt Gaddafi "Einfach nur dumm"

Offiziell ist es noch nicht, doch Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy soll sich für gezielte Luftangriffe auf Libyen ausgesprochen haben. Zudem hat Frankreich die libyschen Rebellen diplomatisch anerkannt. Die deutsche Presse ist mehrheitlich skeptisch: Die Revolutionen in Tunesien und Ägypten hat Frankreich verschlafen - nun will es vorneweg marschieren?

"Selbst ernannter Napoleon aus Paris", "übergroßes Ego" - Nicolas Sarkozy.

"Selbst ernannter Napoleon aus Paris", "übergroßes Ego" - Nicolas Sarkozy.

(Foto: dpa)

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung fordert, dem libyschen Regime sein "in der Welt verstecktes Geld" zu nehmen. Verdächtig seien hier nicht die altbekannten Steueroasen, sondern China und Russland. Solche "Vermögensstrafen für Diktatoren" würden zwar nur "zögerlich beschlossen, oft unterlaufen, und sie wirken erst über die Zeit. Doch sie sind oftmals besser und wirkungsvoller als unkalkulierbare militärische Abenteuer."

"Einen Monat nach Beginn des Bürgerkriegs in Libyen gibt es einen neuen Krisenherd", schreibt die Frankfurter Rundschau. "Er liegt mitten in Europa - in Paris." Denn "Sarkozy läuft gerade außenpolitisch Amok". Die FR erinnert daran, dass Sarkozy dem libyschen Machthaber Gaddafi noch vor wenigen Monaten "liebend gern Atomkraftwerke verkauft" hätte. "Jetzt gibt Sarkozy den obersten Gaddafi-Jäger.  Es ist ja richtig, dass die EU zu zaghaft gegen den Diktator vorgeht. Aber es ist einfach nur dumm von Sarkozy, jetzt auch noch einen Keil in die Gemeinschaft zu treiben und Erwartungen zu wecken, die sich nicht erfüllen lassen."

"Es ist nicht allein das übergroße Ego, das den französischen Präsidenten Sarkozy in der Libyen-Frage vorpreschen lässt", glaubt die Märkische Oderzeitung aus Frankfurt (Oder). "Jahrzehntelang unterhielt Paris enge Beziehungen zu den nordafrikanischen Potentaten, die im Gegenzug gern Lustreisen spendierten. (...) Um sich davon reinzuwaschen, geht Sarkozy nun besonders forsch zu Werke." Seinem Ruf hat Sarkozy damit jedoch keinen Gefallen getan: "Der mit Berlin nicht abgestimmte Vorstoß zeigt einmal mehr, dass der französische Präsident wie ein Geisterfahrer agiert und damit eine einheitliche Linie der EU erschwert."

Sarkozy habe sich - "wieder einmal in blindem Eifer" -, so schreiben die Westfälische Nachrichten aus Münster, "als Erster die Feldherrn-Uniform übergestreift". Er sei offensichtlich getrieben von miserablen Umfragewerten vor den Präsidentschaftswahlen und versuche nun, die Meinungsführerschaft in der EU an sich zu reißen. "Keine Frage: Der Westen muss handeln. (...) Der selbst ernannte Napoleon aus Paris steht aber einer gemeinsamen Strategie eher im Wege."

Allein die Ostsee-Zeitung hält die Anerkennung der Rebellen-Regierung im Osten Libyens für konsequent. Luftangriffe lehnt der Kommentar aus Rostock jedoch ab: "Berlin sollte Paris hierbei folgen. Gemeinsam mit den verschärften Sanktionen der EU ist diese diplomatische Offensive gegen Gaddafi geeignet, das Land auch ohne Krieg zu befreien."

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Thomas E. Schmitt

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