Pressestimmen

Schuldengipfel in Paris "Es bedarf einiger Löschzüge"

Deutschland und Frankreich wollen die Integration der Eurozone massiv beschleunigen, um die Schuldenkrise zu lösen. Gemeinsame europäische Staatsanleihen soll es nach dem Willen von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Sarkozy aber nicht geben – zunächst. Die Kommentatoren der deutschen Zeitungen werten die Ergebnisse des deutsch-französischen Sondertreffens zur Euro-Stabilisierung zwar als "starkes Signal", vermissen aber Konkretes.

2zn75839.jpg5651331496908487782.jpg

(Foto: dpa)

Die Stuttgarter Zeitung bezeichnet die Beschlüsse von Paris als "halbherzig", gesteht aber Merkel und Sarkozy gewichtige Gründe zu. Einer ist für die Tageszeitung aus Baden-Württemberg offensichtlich: "Die Verlagerung von Kompetenzen nach Brüssel würde Vertragsveränderungen erfordern, die in allen Mitgliedstaaten mindestens parlamentarische Mehrheiten bräuchten, oft sogar Mehrheiten in Volksabstimmungen. Nach den desaströsen Erfahrungen mit dem Projekt einer europäischen Verfassung und dem Beinahescheitern des Lissabon-Vertrags traut sich vorerst kein europäischer Staats- und Regierungschef an eine solche Aufgabe heran". Für die Kommentatoren stellt sich allerdings die Frage, wie lange sie es noch vermeiden können.

Für die Süddeutsche Zeitung steht fest: "Euro-Anleihen kann es nur mit einer großen Reform des Vertrags von Lissabon geben. Zur Ehrlichkeit in der Politik gehört es deshalb, auch zu sagen, dass es Euro-Bonds frühestens in drei bis fünf Jahren geben könnte - und auch das nur, wenn man gleich mit der Reform beginnt. Sie taugte dann zwar nicht dazu, die gegenwärtige Krise zu bewältigen, aber langfristig zöge sie der EU den Stabilitätsanker ein, den sie braucht. Euro-Anleihen können, wie Sarkozy sagte, erst am Ende einer weiteren Integration der EU eingeführt werden".

Euro-Regierung, Schuldenbremse, Finanztransaktionssteuer – für die Westfälischen Nachrichten klingt das nach einem "starken Signal von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy. Doch die Börsen setzten (Dienstag) ihre Talfahrt fort". Für das Blatt aus Münster wird eines deutlich: "Der Brandherd Euro-Schuldenkrise ist nicht in einem einzigen Gipfel-Coup zu löschen, und auch nicht im politischen Alleingang der EU-Avantgarde in Berlin und Paris".

Die Mitteldeutsche Zeitung stößt ins gleiche Horn. Für sie hat SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier recht: "Ein 'Feuerlöscher' für die schwelenden finanziellen Brandherde ist das nicht". Dabei entlarve der Sozialdemokrat mit seiner Wortwahl die Unzulänglichkeit der eigenen Argumentation: "Die Gefahr eines Flächenbrandes lässt sich eben nicht mit einem Feuerlöscher bannen. Dazu bedarf es schon einiger, um im Bild zu bleiben, Löschzüge und vor allem struktureller Maßnahmen. Ja, das kann dauern. Ja, bis dahin bleibt es beim wöchentlichen, täglichen Klein-Klein wechselnder Löschaktionen".

Zweifel hegt auch die Märkische Allgemeine. Die Zeitung aus Potsdam kann verstehen, dass die Finanzmärkte von den Ergebnissen alles andere als begeistert sind: " (…) schließlich blieben die Vorschläge eher vage. Da ist von einer Wirtschaftsregierung die Rede. Tatsächlich sollen sich die Regierungschefs der Euro-Zone künftig zweimal jährlich treffen. Einmal im Jahr kommen sie im Rahmen der EU bereits zusammen - ein zweites Treffen wird nicht sehr viel ändern. Auch die angedachte Schuldenbremse existiert eigentlich schon im Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992. Und ob eine neue Finanztransaktionssteuer wirklich die Märkte beruhigt, ist umstritten. Mit solchen Absichtserklärungen allein wird sich der Euro nicht in sicheres Fahrwasser bringen lassen". Und so lautet das Fazit der Kommentatoren: "Ein Befreiungsschlag sieht anders aus".

Optimistischer hingegen gibt sich das Hamburger Abendblatt: "Die Euro-Staaten vollführen wegen des unvollkommenen Starts der gemeinsamen Währung derzeit manchen Umweg, um diese zu retten. Aber auch Umwege können zum Ziel führen, und der Weg zurück ist selten der bessere. Denn die Aufgabe der gemeinsamen Währung wäre vermutlich nicht nur teurer als ihr Erhalt. Auch der politische Schaden wäre immens und die Bürger würden unbezahlbare Freiheiten und Möglichkeiten einbüßen".

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen