Ausschüsse zu Neonazis eingesetzt "Es wird so oder so heikel"
26.01.2012, 20:46 Uhr
Warum konnten die Zwickauer Rechtsterroristen jahrelang morden und rauben? Wie konnte sich ein "nationalsozialistischer Untergrund" überhaupt bilden? Untersuchungsausschüsse in Erfurt und Berlin werden dem nun nachgehen und mögliche Pannen der Ermittler aufklären. Die Tageszeitungen greifen das Thema auf.
Die Leipziger Volkszeitung gibt zu bedenken: "Nichts wäre schädlicher, als das der übliche Parteienstreit die dringend notwendige parlamentarische Aufarbeitung behindert. Die furchtbaren Neonazi-Morde und das offensichtliche Versagen der Behörden sind nunmal denkbar ungeeignet für das Ausleben politischer Machtspielchen. Abgeordnete, die ihre Kontrollfunktion sachlich und unaufgeregt wahrnehmen, senden ein wichtiges Signal an die Angehörigen der Opfer und auch an das Ausland. Es geht vor allem darum, die Fehler der Sicherheitsbehörden zu analysieren und daraus Lehren zu ziehen. Was muss in Zukunft getan werden, um derartige terroristische Auswüchse zu verhindern? Die Beantwortung dieser Frage sollte sich jeder Untersuchungsausschuss - ob im Bund oder den Ländern - ganz oben auf seine Aufgabenliste schreiben."
Die Rhein-Neckar-Zeitung meint: "Selten war ein Untersuchungsausschuss so berechtigt, wie im Fall der neonazistischen Morde durch die Terrorzelle NSU. Denn nur so ist eine umfassende Aufklärung möglich. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages hat - auch nach dem Tod der mutmaßlichen Mörder - die Möglichkeit, in die Tiefen politischer Hintergründe einzutauchen. Einem Strafgericht ist das verwehrt."

Das Zwickauer Nazi-Trio beschäftigt nun parlamentarische Ausschüsse.
(Foto: dapd)
Die Westdeutsche Zeitung schreibt: "Sicher ist schon jetzt, dass die einzelnen Gremien ein Wettrennen starten werden um Akten und Zeugen. V-Leute und Verfassungsschutz müssen gehört, der Verstrickung der NPD und ihrer Funktionäre muss auf den Grund gegangen werden."
Die Stuttgarter Nachrichten meinen: "Es wird so oder so heikel: Neben dem Untersuchungsausschuss werden die Bund-Länder-Kommission oder die Kontroll- und Aufklärungsgremien der einzelnen Länder allesamt dieselben Zeugen laden, dieselben Akten beiziehen oder dieselben Gerichte anrufen wollen. Die deutsche Sicherheitsstruktur gehört dringend verändert, sollte sich herausstellen, dass Verfassungsschutz und Polizei nicht kooperierten oder gar um den Preis der Informationsgewinnung Straftaten deckten."
Die Badischen Neuesten Nachrichten sehen ein Chaos voraus: "Man darf sich schon fragen, ob dieser Ausschuss wirklich den nötigen Erkenntnisgewinn liefert? Das wird ja ein munteres Sich-auf-die Füße-Treten geben, bei all den Ausschüssen, Sonderkommissionen und Sonderermittlern, die es nun auf Bundesebene, in Thüringen und vielleicht auch bald in Sachsen gibt."
Die Nürnberger Nachrichten nehmen das Ergebnis vorweg und zweifeln schon jetzt die Funktionsfähigkeit des Verfassungsschutzes an sich an: "Die Affäre um das Versagen des Inlands-Geheimdienstes und seiner V-Leute bei der Aufklärung der Mordserie von Neonazis ist noch längst nicht ausgestanden, da wird bekannt, dass Politiker der Linkspartei beobachtet oder nachrichtendienstlich überwacht werden: Der Verfassungsschutz bringt sich immer mehr ins Zwielicht und beantwortet die Frage, ob er mehr schadet als nützt, schon von selbst."
Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmitt