Merkel und der EU-Stabilitätspakt "Gegenteil von Dilettantismus"
27.10.2010, 20:31 UhrAngela Merkel steht wegen ihrer harten Strategie im EU-Stabilitätspakt in der Kritik. Die Opposition wirft ihr Dilettantismus vor. Doch das ist es nicht, urteilt die Presse. Im Gegenteil, die Bundeskanzlerin tritt für ein Ziel ein, für das es sich zu kämpfen lohnt. Doch dafür muss sie in Brüssel Verhandlungsgeschick und Überzeugungskraft an den Tag legen.
"Dass die zuletzt vielgescholtene Angela Merkel weiter an einer harten Strategie zur Euro-Stabilisierung, samt automatisch greifenden Sanktionsmechanismen, festhält, ist das ganze Gegenteil von Dilettantismus", bewerten die Lübecker Nachrichten das Verhalten der Bundeskanzlerin. Ihre "prinzipielle Haltung" sei hauptsächlich "der Einsicht aus der verheerenden Griechenland-Krise geschuldet, wonach ein einzelner Defizit-Sünder die anderen Euro-Länder mit in den Abgrund reißen kann". Die Währungsunion sei hier nochmal glimpflich davongekommen und "zahlte zig Milliarden an Lehrgeld". Jetzt sei es wichtig, "dem Euro-Pakt einen Krisenverhinderungs-Mechanismus einzufügen", so dass derartige Turbulenzen verhindert oder zumindest zuvor geschmälert werden können.
Die Kieler Nachrichten schreiben, dass Merkel mit ihren Kungeleien mit Sarkozy fast alle Partner gegen sich aufgebracht habe. "Zweifellos musste die Kanzlerin in einer so elementaren Frage wie dem Defizitverfahren zunächst eine Einigung mit dem zweitgrößten Partner Frankreich herbeiführen. Und sicherlich ist ein Kompromiss in einer doppelt so großen EU wie zu Kohls Zeiten wesentlich schwerer zu finden." Daher komme es jetzt darauf an, meint das Blatt weiter, "dass Deutschland als tonangebende Nation der Gemeinschaft nicht den egoistischen Haudrauf spielt, sondern als solidarischer Vermittler auftritt." Aber diese Rolle würden Merkel und Westerwelle nur noch die Wenigstem in der EU zutrauen.
Auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung meint, dass "großes Verhandlungsgeschick und viel Überzeugungskraft" in Brüssel gefordert seien, "für ein Ziel, für das es sich zweifellos zu kämpfen lohnt: für eine Stabilitätskultur in Europa". Merkel habe festgestellt, dass fast alle EU-Staaten sich dem Konsolidierungskurs Deutschlands angeschlossen hätten. Hoffentlich habe sie damit auch Recht, meint das Blatt. Denn das bedeute nicht zwangsläufig, "dass auch fast alle Regierungen ins Lager der Befürworter einer neuerlichen Änderung der europäischen Verträge übergelaufen wären. Vermutlich hat Frau Merkel mehr Partner auf ihrer Seite, als die Opposition wahrhaben will. Aber ob es eine Mehrheit ist?"
Weniger um Merkels Vorgehensweise und Verhalten als um den Inhalt ihrer Einigung mit Sarkozy geht es dem Münchner Merkur: "Merkels Forderung, Schuldensündern partiell das Stimmrecht im EU-Rat zu entziehen statt Finanzstrafen zu verhängen, ist zweischneidig. Einerseits folgt es der Logik, dass man einem ohnehin bankrotten Staat wie einem nackten Mann nicht in die Taschen greifen kann. Andererseits: Berührt ein solcher Stimmentzug nicht die Kernkompetenz eines Mitgliedstaates, der erst von Bürgern und Gerichten legitimiert werden müsste?"
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Julia Kreutziger