Westerwelle will eine Generaldebatte "Gehörnt" und auf Krawall gestimmt
15.02.2010, 20:45 UhrEinen Gefallen tut Westerwelle sich und seiner Partei nicht, meint n-tv.de. Die Presse sucht nach den Motiven für seine Attacke gegen Hartz-IV-Empfänger. Was treibt ihn also an: Will er als Rechtspopulist Karriere machen? Will er die Zeche der ersten 100 Tage Regierungsarbeit prellen? Will er die FDP-Kernwählerschaft bei Laune halten? Oder ist das Ganze ein hilfloser Wutausbruch einer ungeliebten Marionette?

Mit seinem Rollenspiel als Provokatuer bestätigt Guido Westerwelle viele Kritiker.
(Foto: AP)
Der Fränkische Tag aus Bamberg hat nichts gegen eine Generaldebatte einzuwenden, im Gegenteil: "Nach den Unsäglichkeiten, die nichts anderes sind als der Versuch eines Parteivorsitzenden, die Zeche von 100 Tagen hundsmiserabler Regierungsarbeit zu prellen, will Westerwelle nun eine Generaldebatte im Bundestag. Soll er sie haben: Die Substanzlosigkeit seiner Ausführungen verdient volles Scheinwerferlicht."
"Guido Westerwelle als auferstandener Jörg Haider? Das wird nicht klappen, trotz der Anstrengungen des Vizekanzlers, als rechter Populist Karriere zu machen", glaubt die Tageszeitung. Denn seine Bemühungen, "die Steuerzahler gegen die Arbeitslosen aufzuwiegeln und zu suggerieren, der Sozialstaat verspreche dem Volk 'anstrengungslosen Wohlstand', widerspricht nicht nur den Tatsachen, sondern auch der Gefühlslage der Mehrheit der Bundesbürger". Das Blatt aus Berlin beruft sich dabei auf Umfrageergebnisse: "Das Schreckensjahr 2008 hat übereinstimmenden Umfragen zufolge die Zahl derjenigen, die einen starken, intervenierenden Wohlfahrtsstaat fordern, nach oben schnellen lassen. Mehr als drei Viertel der Befragten sehen die Einkommens- und Vermögensverteilung als ungerecht an. Weshalb sich der Zorn der Befragten gegen betuchte Steuerhinterzieher richtet und nicht gegen angebliche Hängematten-Arbeitslose."
Die Frankfurter Rundschau analysiert die Motive des Außenministers: "So irrational der Rundumschlag Westerwelles wirkt, so offensichtlich sind die Beweggründe der Attacke. Bei fast der Hälfte ihrer Wähler vom 27. September hat die FDP nach jüngsten Umfragen in nur vier Monaten den Kredit bereits verspielt. Nun will der Parteichef irgendwie zumindest die Erosion der Kernwählerschaft verhindern. Dazu holt der Chefdiplomat über Nacht den Krawall-Guido aus der Kiste und bestätigt mit diesem Rollenspiel alle seine Kritiker, die ihn immer schon eine Spur zu schrill, zu beliebig und letztlich wenig glaubhaft fanden."
Der Münchner Merkur nimmt den aktuellen Streit zum Anlass, das Verhältnis der Koalitionspartner unter die Lupe zu nehmen: "Schwarz-Gelb fehlt nicht nur das gemeinsame Projekt. Der Koalition fehlt jede Wärme, und vor allem fehlt der Respekt, wie die heftigen gegenseitigen Angriffe nun zeigen. Für Beziehungen ist das ein tödliches Gift. Schon vor der angeblichen Liebesheirat ging es los: Während Westerwelle sich und die Liberalen an die Union kettete, lavierte die Kanzlerin zwischen Gelb und Rot. Einseitige Liebe ist gefährlich. Jetzt, da Merkel volle Fahrt auf eine Affäre mit den Grünen in NRW genommen hat, fühlt sich Westerwelle vollends gehörnt und reagiert auch so. Sein Wutausbruch im Koalitionsausschuss, seine zornige Hartz-IV-Abrechnung sind, auch wenn sie in der Sache begründet sind, nicht souverän, sondern hilflos. Westerwelle muss erkennen, dass er seine FDP der Kanzlerin ausgeliefert und nichts als Gegenleistung erhalten hat. Er ist, wie viele Männer vor ihm, zu Merkels Marionette geworden, und seine eigene Partei fängt an, ihn auch so zu behandeln."
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Nadin Härtwig