Pressestimmen

Geld für Sicherheitsverwahrte "Gleiches Recht für alle"

Vier frühere Sicherungsverwahrte werden entschädigt und bekommen Schmerzensgeld für zu Unrecht im Gefängnis verbrachte Jahre. Das Landgericht Karlsruhe spricht den zwischen 55 und 65 Jahre alten Klägern insgesamt 240.000 Euro Schadensersatz zu und beruft sich dabei auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Juristisch ist das richtig, urteilt die Presse.

Die Berliner Zeitung fragt sich: "Was ist mit den Opfern der verfassungswidrigen Sicherungsverwahrung, also jenen Straftätern, die ihre Strafe verbüßt, ihre - rechtmäßige - Verwahrung hinter sich gebracht hatten, aber vom Staat jahrelang unzulässig festgehalten wurden?" Ihnen würde das Landgericht Karlsruhe 500 Euro Entschädigung für jeden Monat rechtswidrigen Freiheitsentzugs zubilligen. "Das ist schäbig. Das Gesetz gewährt jedem zu Unrecht Inhaftierten pro Tag 25 Euro Entschädigung. Ist die Freiheit eines rechtswidrig Sicherungsverwahrten weniger wert?"

Über moralische Aspekte muss man nicht diskutieren, meint der Mannheimer Morgen. "Juristisch ist die Entschädigung zwingend." Die Kläger seien nach Verbüßung ihrer Strafen in Sicherungsverwahrung genommen worden, deren nachträgliche Verhängung habe der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bekanntlich für unzulässig erklärt. "Ergo saßen die Männer zu Unrecht im Gefängnis. Dass es dafür eine materielle Entschädigung gibt, ist ein wichtiges rechtsstaatliches Prinzip, das niemand ernsthaft infrage stellen sollte." Allenfalls die Höhe: "Und da sind 500 Euro pro Monat, wie sie nun das Karlsruher Landgericht anordnete, eher nicht zu großzügig."

Die Badische Neueste Nachrichten schreiben, dass der zeitlich ausgedehnte Weg durch die Instanzen der Justiz manchmal etwas Gutes habe, zeige sich nun nach dem durchaus erklärungsbedürftigen Richterspruch des Landgerichts Karlsruhe. "Bis nur ein Cent der Entschädigungssumme an die vier klagenden Männer ausgezahlt wird, können Jahre vergehen - Jahre in denen diese nicht jünger werden. Dies wird diejenigen zwar nicht besänftigen, die weniger in juristischen Kategorien denken als an die Empfindungen all der Opfer dieser Männer, doch es kann die Aufregung sicher etwas dämpfen."

Das Urteil über Schmerzensgeld beziehe sich auf die rückwirkend verlängerte Sicherungsverwahrung, erklärt die Volksstimme aus Magdeburg. "Dadurch habe der Staat Bürgern rechtswidrig die Freiheit entzogen, hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte 2009 geurteilt. Dem ist das Landgericht Karlsruhe gefolgt. Das kann man ihm nicht vorwerfen. Wohl aber darf man die Qualität von Gesetzgebung hinterfragen."

Die Lübecker Nachrichten sagen klipp und klar: "Wer von unserem Staat zu lange und damit unberechtigt in Haft gehalten wurde, dem steht eine Entschädigung zu. Egal, wie viel Unrecht er zuvor selber verübt hat." Immer wieder würden Demagogen dem Bürger weismachen wollen, das sei eine Schwäche unseres Staates. "Falsch. Gleiches Recht für alle, und unveräußerliche Grundrechte für jeden Menschen: Das sind in Wahrheit die Pfeiler, auf denen unser aller Freiheit ruht."

Die Main Post aus Würzburg gibt zu bedenken: "Vor allem muss jetzt die Höhe der Strafen für Vergewaltigung, Missbrauch und schwere Körperverletzung hinterfragt werden. Einer der Kläger vergewaltigte zweimal brutal eine Zwölfjährige. Das Mädchen leidet ein Leben lang. Ohne Sicherungsverwahrung wäre der Täter nach dreieinhalb Jahren Haft freigekommen. Gerecht ist das nicht, aber Sicherungsverwahrung darf nicht zur eigentlichen Bestrafung werden. Die muss der Gesetzgeber sicherstellen."

Quelle: ntv.de, zusammengestellt von Thomas E. Schmitt

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