Pressestimmen

Affären bei der Bundeswehr "Guttenberg bekommt Kratzer"

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Unter Druck: Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg.

(Foto: REUTERS)

Eine angebliche Meuterei auf der "Gorch Fock", mögliche Vertuschung im Fall eines in Afghanistan erschossenen Soldaten und keine Spur im Skandal um geöffnete Feldpost - in der Bundeswehr reiht sich Affäre an Affäre. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sichert "rückhaltlose Aufklärung" zu - und gerät ins Feuer der Kritik.

"Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat ein Problem an der Backe, das zur Unzeit kommt", stellt der Mannheimer Morgen unumwunden fest. "Er muss die Bundeswehr bei laufendem Betrieb radikal zu einer reinen Berufsarmee umbauen, die Zahl der Soldaten deutlich verkleinern, Standorte schließen, Rüstungsprojekte auf den Prüfstand stellen und über acht Milliarden Euro einsparen, was ohnehin schon eine Herkulesarbeit bedeutet. Systematische Verstöße gegen die Prinzipien der inneren Führung machen das alles nicht einfacher. Die Bundeswehr muss eigentlich attraktiver werden, um Freiwillige anzulocken, die sich für den Dienst an der Waffe verpflichten. Doch wer will schon einen Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter schlecht behandelt?"

Aus ihrem Herzen keine Mördergrube machen die Westfälischen Nachrichten: "Die raubeinigen Stammsoldaten der Gorch Fock gelten selbst in der Marine als Exoten. Dass sie reichlich zügellos schalten und walten konnten, geht indes das Verteidigungsministerium sehr viel an", heißt es hier. Der in Münster herausgegebenen Zeitung fällt es "schwer zu glauben, dass der Minister von den Vorfällen nichts gewusst hat - zumal sie mit dem Reizwort Meuterei behaftet sind. Stimmt es doch, dann hat zu Guttenberg seinen Apparat nicht im Griff. Zumal zwei Fälle hinzukommen, die zwingend auch einem Minister vorgetragen werden müssen: Öffnen von Feldpost, mögliche falsche Darstellung der Bundeswehr darüber, wie ein Soldat ums Leben kam. Dass der Strahlemann der Regierung jetzt Kratzer abbekommt, ist für die Opposition ein gefundenes Fressen".

Der Nordbayerischer Kurier aus Bayreuth bringt das Thema "Pietät" aufs Tapet: "Verteidigungsminister Guttenberg hat schwer zu stemmen an der Bundeswehrreform und ernsten Vorfällen bei den Streitkräften, die unnachsichtiger Aufklärung bedürfen. Das Militär legt großen Wert auf Geheimhaltung. Dies darf nicht dazu führen, dass bei Unglücken oder menschlichem Versagen zuerst ein unvollständiges oder falsches Bild entsteht. Feierte ein Teil der Gorch-Fock-Besatzung tatsächlich südamerikanischen Karneval nur zwei Tage nachdem die junge Kameradin aus der Takellage gestürzt und dabei tödlich verletzt worden war? Eine grauenhafte Vorstellung! Härte gehört gewiss zur Truppe, aber ohne Pietät und Menschlichkeit verroht sie".

Eine Lanze für die Bundeswehr bricht derweil die in Kassel herausgegebene Hessische/Niedersächsische Allgemeine: "Nichts untergräbt das Vertrauen in die Bundeswehr mehr als Verdächtigungen und Unterstellungen. Vorschnelle Urteile, gefällt in warmen Redaktionsstuben und weichen Parlamentssitzen, helfen nicht weiter. Deshalb müssen die Fakten auf den Tisch. Das betrifft vor allem die Vorgänge auf der Gorch Fock. Schiffe sind immer ein ganz spezieller Mikrokosmos mit eigenen Traditionen und Gesetzmäßigkeiten. 220 Männer und Frauen auf engstem Raum wochenlang zusammen und fern der Heimat - das birgt schon im Alltag Zündstoff. Und erst recht nach einem tödlichen Unfall. Nicht nur die Öffentlichkeit verlangt deshalb sorgfältige Aufklärung. Vor allem die Angehörigen der Toten haben darauf endlich Anspruch."

Für den General-Anzeiger aus Bonn steht fest: "Guttenberg muss dafür die politische Verantwortung übernehmen - und nein, nicht zurücktreten, sondern seine Autorität nutzen, um Führungsversagen und Intransparenz für die Zukunft auszuschließen". Die Strukturen gehörten ohnehin auf den Prüfstand, "weil die Bundeswehr mit dem Aussetzen der Wehrpflicht deutlich attraktiver werden muss für die jungen Frauen und Männer in unserem Land".

Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf-Schipke

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