Neuer Rettungsschirm für Griechenland "Härte der EU ist ein Akt der Verzweiflung"
20.06.2011, 20:07 Uhr
Der Präsident der Euro-Gruppe, Jean-Claude Junker, berät mit den EU-Finanzministern über die Milliardenhilfe für Griechenland.
(Foto: picture alliance / dpa)
Anstatt über ewig neue Rettungspakete frustriert zu sein, sollte in Europa ein neues Engagement für die EU erwachen. Die Währungsunion enthält viele Konstruktionsfehler. Dafür sollte Griechenland jetzt nicht bluten. Die Folgen für die Gemeinschaftswährung und das Finanzsystem wären katastrophal.
Die Mittelbayerische Zeitung meint, es sei natürlich zu verstehen, "dass die Kreditgeber Vorsicht bei der Auszahlung der nächsten Tranche walten lassen". Denn trotz eines Milliarden-Hilfspakets stehe Griechenland genau da, wo es bereits vor einem Jahr gestanden habe: kurz vor dem Staatsbankrott. Allerdings, so das Blatt aus Regensburg weiter "ändert nichts an der Tatsache, dass dem Land geholfen werden muss. Wird Athen fallengelassen, wären die Folgen für die übrigen angeschlagenen Euroländer gravierend." Spanien, Italien, vielleicht auch Belgien rücken dann "ins Visier der Märkte, Experten halten einen Domino-Pleiteeffekt für wahrscheinlich". Man dürfe davon ausgehen, dass dies "die deutschen Steuerzahler um einiges teurer kommen würde als die Griechenlandhilfe".
Die Rhein-Zeitung kommentiert die "demonstrative Härte der Europäer" als einen "Akt der Verzweiflung": "Denn sie wollen um jeden Preis die erste unkontrollierte Staatspleite in der Euro-Zone verhindern, weil deren Folgen für die Gemeinschaftswährung und das Finanzsystem ähnlich katastrophal sein könnten, wie die Insolvenz der Investment-Bank Lehman Brothers." Das Blatt schlussfolgert, dass genau deshalb die Europäer "am Ende neue Milliarden nach Athen überweisen" werden.
Die Westdeutsche Zeitung geht weiter und fordert die europäischen Regierungschefs dazu auf, "den Mut (zu) finden, die Realitäten beim Namen zu nennen und daraus eine umfassende Strategie zu entwickeln". Zu diesen Realitäten zähle erstens, "dass alle Griechen-Raus-Rufe Unsinn sind, weil die Euro-Staaten das Land aus Eigeninteresse gar nicht fallen lassen können". Zweitens zähle auch dazu, "dass Griechenland rigide Sparpakete, eine Umschuldung und ein Wiederaufbauprogramm benötigt". Die wichtigste Realität sei jedoch, "dass diese Krise nicht durch einen bösen Zauber ausgelöst wurde, sondern durch Konstruktionsfehler der Währungsunion". Und jene brauche laut dem Blatt aus Düsseldorf eine "umfassende Reform".
Auch die Westfälischen Nachrichten plädieren für ein Weiterdenken: "Der Euro soll leben, aber überlebt die gemeinsame Währung, wenn die Griechen in die Staatspleite abrutschen? Der Euro wird kaum zu retten sein, indem man ständig nur neues Geld nach Athen trägt. Der EU-Gipfel am Donnerstag wäre ein guter Zeitpunkt, endlich auch über Wachstums- und Investitionsprogramme für die Krisenländer zu reden."
"Ist es eigentlich schon einmal gelungen, dass sich ein Staat mitten in einer tiefen Krise gesundspart?", fragen die Nürnberger Nachrichten kritisch. Denn genau das solle Athen jetzt bewerkstelligen – "mit nicht nur einer, sondern gleich mehreren Rosskuren brutaler Art". Die heftigen Proteste dürften da niemanden überraschen, auch nicht empören: "In jedem anderen EU-Staat, auch in Deutschland, würde eine Regierung hinweggefegt, die auch nur einen Teil ähnlich harter Schnitte durchdrücken wollte. Es ist ein reichlich gewagtes Experiment, ausgerechnet durch eine radikale Schrumpfkur und durch (in etlichen anderen Staaten grandios gescheiterte) Privatisierungen jenen Wohlstand schaffen zu wollen, den Griechenland braucht, um wieder kreditwürdiger zu werden."
Quelle: ntv.de