Pressestimmen

Drei Jahre Haft für Middelhoff "Jede Bodenhaftung verloren"

Pressestimmen.jpg

Thomas Middelhoff bereut nichts. Wohl auch deswegen orientiert sich das Strafmaß der Richter an der Forderung der Staatsanwaltschaft: Der frühere Top-Manager wird wegen Untreue und Steuerhinterziehung zu drei Jahren Haft verurteilt. Besonders ein Wort, das im Gerichtssaal fällt, wirft ein Schlaglicht auf die bemitleidenswerte Person Middelhoff.  

"Für eine egalitätssüchtige Nation wie die deutsche erscheinen solche Urteile besonders staatstragend", meint die Welt aus Berlin. "Doch der Triumph jener, die immer schon vermuten, dass 'die da oben' völlig abgehoben sind, währt nur kurz." Nach der Verurteilung von Uli Hoeneß und der Vorführung von Klaus Zumwinkel sei das verhängte Strafmaß von drei Jahren Gefängnis "ein weiterer Beleg dafür, dass die Justiz keine Boni für Prominente und Reiche bereithält. Und das ist gut so. Thomas Middelhoffs Absturz erzeugt den Hinguckersog eines monströsen Autounfalls. Nun empfinden selbst von ihm Geschädigte Mitleid - die vielleicht schlimmste Strafe für jemanden, der am liebsten von oben herab auf Mitmenschen geblickt hat."

Dass der Vorsitzende Richter am Landgericht Essen direkt nach der Verkündung des Urteils noch im Gerichtssaal Haftbefehl wegen Fluchtgefahr gegen Middelhoff erließ, findet die Frankfurter Rundschau "nicht überraschend, aber bemerkenswert", denn "kein anderer Begriff scheint die Person Middelhoffs so präzise zu bezeichnen wie Fluchtgefahr. Zum Leben Middelhoffs gehörte das hektische Hin und Her zwischen Kontinenten, Ländern, Städten ohne Warum und Wozu - und die Flucht aus der Verantwortung als einziges ehernes Prinzip der Lebensgestaltung. In seinem Schlusswort hat Thomas Middelhoff beteuert: 'Ich kann mir kein Fehlverhalten vorwerfen.' Vermutlich kann er das wirklich nicht. Eben das ist das Problem."

"Middelhoffs Verteidiger werden in Revision gehen. Ihr Mandant fühlt sich schließlich im Recht. Von Reue keine Spur. Ganz offensichtlich hat der Manager in den Jahren der Machtfülle jede Bodenhaftung verloren", kommentiert die Westdeutsche Zeitung. Das Blatt aus Düsseldorf wirft einen Blick in die Zukunft und sieht "einen arroganten, uneinsichtigen Thomas M." vor Gericht, "der in Sachen Arcandor in mehreren Verfahren als Kläger, Beklagter und Zeuge auftreten muss. Da ist jemand ganz unten angekommen, ohne es zu merken."

"Tiefer kann ein Mann nicht fallen, der den Prozess erklärtermaßen dazu nutzen wollte, seine verlorene Ehre wieder herzustellen", findet die Südwest-Presse aus Ulm. "Besonders, wenn das Verfahren zu Tage fördert, wie er sich großspurig, dekadent und nicht zwischen Arbeit und Vergnügen unterscheidend verhalten hat. Middelhoff ist ein Beispiel dafür, wie Macht und Kritikunfähigkeit die Sicht auf die eigene Person verzerren können."

"Der Schock sitzt mit Sicherheit tief bei Thomas Middelhoff", schreibt die Nürnberger Zeitung. "Aber sich in einer für ein Unternehmen existenzbedrohenden Lage aus der Firmenkasse zu bedienen, ist nicht nur unanständig, es ist kriminell; die Strafe damit angemessen. Auch wenn solche Einsichten wohl keinen Weg in den Kosmos eines Thomas Middelhoff finden werden."

Das Flensburger Tageblatt erhofft sich Signalwirkung: "Das Urteil gegen Middelhoff sollte anderen Managern zeigen, dass sie nicht sakrosankt sind. Die Justiz hat bewiesen, dass sie die Großen nicht immer laufen lässt. Ein solches fehlendes Rechtsbewusstsein sollte man zwar nicht allen unterstellen, aber es gibt immer wieder schwarze Schafe. Nun aber sollten auch diejenigen stärker zur Rechenschaft gezogen werden, deren Aufgabe es ist, solche schwarzen Schafe nicht agieren zu lassen. Die Aufsichtsräte. (…) Auch sie müssen sich ihrer Verantwortung stellen."

Zusammengestellt von Katja Sembritzki

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen