Pressestimmen

Ukrainische Opposition wird gestärkt "Klitschko ist ernsthafter Rivale"

Der "zweite Wahlsieger" ist Boxer und Polit-Newcomer Vitali Klitschko.

Der "zweite Wahlsieger" ist Boxer und Polit-Newcomer Vitali Klitschko.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Wahl ist eine Farce: Wie abzusehen geht der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch mit seiner "Partei der Regionen" gestärkt aus den Parlamentswahlen hervor. Doch trotz erkennbarer Manipulationen geht die Opposition gestärkt hervor. Die Presse bewertet, was die Wahl für das Verhältnis zwischen der Ukraine und der EU bedeutet.

Das Urteil der OSZE-Wahlbeobachtungskommission fällt vernichtend aus.

Das Urteil der OSZE-Wahlbeobachtungskommission fällt vernichtend aus.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung sieht mit den manipulierten Parlamentswahlen den europäisch-ukrainischen Dialog blockiert: "Nach dem ebenso verheerenden wie zutreffenden Urteil der internationalen Beobachter über die ukrainische Parlamentswahl ist für die Ukraine der Weg nach Westen vorerst verschlossen. Falls es in Kiew nicht bald grundlegende Veränderungen gibt, wird das ausgehandelte Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der EU als Dokument der Vergeblichkeit in die Archive wandern. Die EU kann nicht anders handeln, wenn sie als Wertegemeinschaft glaubwürdig bleiben will. Das ist für beide Seiten schlecht, für beide aus demselben Grund: Damit wächst die Gefahr, dass Präsident Janukowitsch das Land zum Zwecke des Machterhalts in den russischen Orbit führt. Dann wäre eine demokratische Entwicklung der Ukraine (…) nicht nur von den Machtverhältnissen in Kiew, sondern auch noch von denen in Moskau abhängig."

Anlass für Optimismus sieht die Lüneburger Landeszeitung angesichts des Abschneidens der Opposition bei der Wahl: "Die Zerwürfnisse zwischen den Oppositionellen illustrieren, wie zersplittert die Ukraine ist. Politisch, konfessionell und ethnisch strebt der Westen eher Richtung Europa, der Osten Richtung Russland. Ein solcher Happen bleibt auch auf lange Sicht als möglicher Beitrittskandidat unverdaulich für die Union. Trotz vielfältiger Benachteiligungen ging aber die Opposition gestärkt aus dem Urnengang hervor. Es gibt also einen Resonanzboden, der für demokratisierende Umarmungsversuche der EU durchaus empfänglich wäre. Konsequent wäre die Entwicklung einer Strategie, die etwa über die Inkraftsetzung des Freihandelsabkommens versucht, stabilisierend und modernisierend einzuwirken."

Auch der Wiesbadener Kurier betrachtet den Wahlsieg von Janukowitschs "Partei der Regionen" differenziert. Vor allem der Polit-Newcomer und Boxer Vitali Klitschko könnte der Zeitung zufolge die Zukunft der Ukraine nachhaltig verändern: "Nicht erreicht hat Janukowitsch voraussichtlich ein Kernziel, die Zweidrittelmehrheit im Parlament, die ihm juristische Winkelzüge zur Wiederwahl als Präsident ermöglicht hätte. Hier erwächst ihm im Gegenteil mit Vitali Klitschko ein ernsthafter Rivale. Der zweite Gewinner der ukrainischen Wahl ist als Boxweltmeister sieggewohnt und hat aus dem Stand seine Partei in achtbarer Stärke in die Rada geführt. Vor allem setzt sich Neu-Politiker Klitschko im Gegensatz zu Ex-Oligarchin Timoschenko von jener alten Elite ab, die den Staat als Beute unter sich verteilt. Er verkörpert nicht nur vom Alter her die Generation der Zukunft. Aber die Ukrainer müssen noch eine Weile warten."

Ähnlich urteilt die Berliner Tageszeitung Die Welt: "Immerhin: Die demokratische Opposition hat sich landesweit behauptet. Trotz Schikanen und trotz der Inhaftierung mehrerer Politiker hat sie etwa 22 Prozent bekommen. Und mit dem Boxweltmeister Vitali Klitschko ist ein weiterer Akteur auf der Bühne. Die Ukraine bleibt also pluralistisch. Brüssel und Berlin müssen jetzt neu überlegen, was aus dem ins Stocken geratenen Prozess der EU-Assoziierung des Landes werden soll. Die Ukraine braucht ein Signal: nicht nur an die Adresse des Präsidenten von heute, sondern vor allem an die der Bürger von morgen."

Die Nürnberger Nachrichten sehen auch die EU in der Verantwortung, den ukrainischen Bürgern eine Perspektive zu geben - mit einer Alternative zu Janukowitsch: "Die Wähler mussten aus einer wenig überzeugenden Besetzungsliste aussuchen. Und dabei wurden sie zu allem Überfluss auch noch von Europa im Stich gelassen. Denn das ukrainische Drama ist nicht zuletzt Folge des Desinteresses der Europäischen Union. Diese nimmt zwar mit Sorge wahr, wie sich die Ukraine immer mehr dem schlechten Vorbild Russland angleicht, erklärt den Bürgern aber dennoch nicht, was sie davon hätten, wenn sie Politiker wählen, die das Land an die Union heranführen."

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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